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Massnahme gegen teure Mieten Berliner wollen Wohnungskonzerne enteignen

Am Sonntag stimmten die Berlinerinnen und Berliner mit einer Mehrheit von 56 Prozent einer Initiative zu, welche die Enteignung grosser Wohnungskonzerne verlangt. Allerdings sei umstritten, ob das Anliegen rechtlich überhaupt zulässig sei, erläutert die Journalistin Claudia van Laak.

Claudia van Laak

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Die Journalistin Claudia van Laak ist Berlin-Korrespondentin fürs Deutschlandradio.

SRF News: Was fordert das Volksbegehren konkret?

Claudia van Laak: Die Regierung – der Senat – wird dazu aufgefordert, das Notwendige einzuleiten, um Immobilienkonzerne in «Gemeineigentum» umzuwandeln. Betroffen davon sind alle Firmen, die mehr als 3000 Wohnungen im Land Berlin besitzen. Dabei sollen die Wohnungskonzerne mit einem Betrag entschädigt werden, der unter dem Verkehrswert der Immobilien liegt.

Die grosse Frage ist, ob eine Enteignung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.
Autor:

Die Abstimmung ist politisch nicht bindend, ausserdem sagen manche Politiker, das Anliegen sei rechtlich nicht umsetzbar. Bleibt es also bei einem symbolischen Abstimmungsergebnis?

Nein, denn mit dem Volksentscheid ist ein Auftrag an die Berliner Regierung verbunden. Ausserdem sieht das deutsche Grundgesetz zwar im Artikel 14 den Schutz des Eigentums vor, in Artikel 15 aber auch die Möglichkeit einer Enteignung – «wenn sie dem Wohl der Allgemeinheit dient». Die grosse Frage ist nun, ob eine Enteignung der Wohnungskonzerne mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.

Die Mieten für Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt sind regelrecht explodiert.
Autor:

Wieso hat dieses doch sehr extreme Anliegen eine deutliche politische Mehrheit in der Berliner Bevölkerung gefunden?

Berlin ist eine Mieterstadt: 85 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner wohnen zur Miete – deutschlandweit ein Spitzenwert. Entsprechend stark ist die politische Kraft der Mieter. Ausserdem ist Berlin in den letzten Jahren um jeweils 20'000 bis 30'000 Einwohner gewachsen. Doch neue Mietwohnungen wurden kaum gebaut. Auch die rot-rot-grüne Regierung verfehlte dabei ihre Wohnbauziele. Entsprechend sind die Mieten für Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt regelrecht explodiert.

Könnte der Volksentscheid über Berlin hinaus Wirkung entfalten?

Eher nicht. Denn erstens wählt kein anderes Bundesland in Deutschland so links wie die Berlinerinnen und Berliner. Ausserdem ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt im Hauptstadt-Bundesland schon aussergewöhnlich angespannt. Zwar sind die Mieten in anderen Bundesländern punktuell auch sehr hoch – etwa in München oder Frankfurt – doch Wohnungen sind in keinem anderen Bundesland flächendeckend derart hoch wie in Berlin.

Wie geht es in Berlin mit der Enteignung von Wohnungskonzernen jetzt weiter?

Das hängt wesentlich vom neuen Senat ab. Wahlsiegerin ist Franziska Giffey von der SPD – sie war früher Bundesfamilienministerin. Wenn sie nun eine Koalition mit CDU und FDP bildet, wären das drei Parteien, die alle gegen die Enteignungsvorlage waren. Entsprechend langsam würde es wohl mit der Sache vorangehen. Wenn Giffey aber die bisherige Regierungskoalition – Rot-Rot-Grün – weiterführt, dürfte der Volksentscheid sicher energischer vorangetrieben werden. Schliesslich ist die Linkspartei ganz klar für die Enteignung, Unterstützer gibt es auch bei den Grünen, auch wenn die Partei gespalten ist.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

SRF 4 News, 28.09.2021, 08:20 Uhr ; 

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