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Medienfreiheit in Serbien «Der ‹Blic› ist nicht mehr das, was er einmal war»

In Serbien ist die Medienfreiheit ein rares Gut. Präsident Vucic übt Druck auf die Medien aus. Auch die Boulevard-Zeitung «Blic», die zu Ringier gehört, spürt das.

Der heutige «Blic» ist nicht mehr, was er einmal war. «Es wäre übertrieben zu sagen, Blic habe nichts mehr zu tun mit dem kritischen Boulevard-Blatt, das wir früher gekannt haben», sagt Teofil Pancic. Er ist ein Kolumnist, der die Macht von Präsident Aleksander Vucic unentwegt kritisiert. Die Zeitung sei aber in den letzten ein, zwei Jahren sichtbar zahmer geworden. «Sie tritt gegenüber der Regierung zumindest kompromissbereit, wenn nicht sogar bejahend auf.»

«Viele prominente Autoren sind gegangen»

Gleich beurteilt die Lage Slobodan Georgiev von BIRN, einem internationalen Netzwerk von Investigativ-Journalisten auf dem Balkan.

«Wenn sie die Zeitung heute aufmachen, sehen sie kaum mehr Namen von Journalisten, die noch vor ein paar Jahren dort arbeiteten. Viele prominente Autoren wollten diese Entwicklung nicht mitmachen und sind gegangen», sagt Georgiev. Aber viele Leser hätten der Zeitung den Rücken gekehrt, so Georgiev weiter.

«Entscheidend ist der Inserate-Markt.
Autor: Slobodan Georgiev Journalist

Doch wie haben es Präsident Vucic und seine Fortschrittspartei geschafft, dass sie Schritt für Schritt fast alle Medien unter Kontrolle gebracht haben? «Entscheidend ist der Inserate-Markt. Es gibt zwei Inserate-Pools über die fast alle Werbegelder laufen», erklärt Georgiev. Willkommene Inhalte könnten so belohnt und Kritik bestraft werden.

«Blick»-Werbung und «Blic»-Titelseite.
Legende: Das Boulevard-Blatt «Blic» gehört zum Ringier-Axel-Springer Konzern. Keystone

Hass gegen die Nachbarn und endlose Interviews

Mehrere Medien wurden so in die Knie und zum Verkauf gezwungen – an Besitzer im Umfeld der Regierung. Es geht denjenigen Medien am besten, die wider alle journalistischen Regeln, Opposition und Nichtregierungs-Organisationen diffamieren, Hass gegen Nachbarstaaten säen und Präsident Vucic endlose Interviews ohne kritische Fragen gewähren.

Die wenigen kritischen Medien, die es noch gibt, überleben vor allem dank des Idealismus ihrer Journalisten. Sie erreichen allerdings nur einen kleinen, intellektuellen Teil der Bevölkerung.

Bemüht professionell zu arbeiten

Ivan Jovanovic ist Chef des Newsrooms bei «Blic». Er bestätigt: Die Journalisten in Serbien stehen unter grossem Druck. «Von Seiten der Politik und von mächtigen Wirtschaftskreisen wird Einfluss genommen.» Je schwieriger die finanzielle Situation eines Mediums sei, desto leichter könne es beeinflusst werden.

«Wir von ‹Blic› sind im Vergleich zu den anderen Medien aber in einer besseren Situation, weil wir die grosse schweizerisch-deutsche Ringier-Axel-Springer-Gruppe im Rücken haben», sagt Jovanovic. Man sei bemüht professionell zu arbeiten und sich diesen Druckversuchen zu widersetzen, so gut es gehe.

‹Blic› kritisiert die Regierung kaum noch.
Autor: Slobodan Georgiev Journalist

Sein Kollege vom Journalisten-Netzwerk BIRN pflichtet bei. Die Leute von «Blic» seien tatsächlich in einer schwierigen Situation und sie hätten sich nicht zum puren Propaganda-Organ machen lassen. Aber: «‹Blic› kritisiert die Regierung kaum noch. Und wenn, dann nur einzelne Minister, aber nicht Präsident Vuvic. Als ob es eine Abmachung gäbe im Sinne von: Ihr dürft über alle schreiben, was ihr wollt. Aber lasst die Hände weg von Vuvic», sagt Georgiev.

Der Mann, der in Serbien alle Zügel fest in der Hand hält, gibt sich nach aussen als der Mann, der Serbien in die EU führen will. Im Innern, führt er das Land aber in die entgegen gesetzte Richtung – was Rechtsstaat und Medienfreiheit betrifft.

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