Die deutsche Kanzlerin und der russische Präsident sind sich oft nicht einig. Nun haben sich die beiden in Putins Sommervilla am Schwarzen Meer getroffen. Im Zentrum der Gespräche standen die bilateralen Beziehungen, internationale Krisen und das Atomabkommen mit Iran.
Doch es ging um mehr, sagen unsere Korrespondenten im Moskau und Berlin: Deutschland habe historisch immer eine besondere Beziehung zu Russland gehabt, so Peter Voegeli, der für Radio SRF aus Berlin berichtet: «Und das im Guten wie im Schlechten. Beides hat eine Nähe erzeugt.»
Zudem sei innerhalb der EU faktisch Deutschland für die Beziehungen zu Russland zuständig: Zwischen Moskau und Berlin werden also Fragen von weltpolitischer Bedeutung verhandelt.
Und gerade auf weltpolitischem Parkett agiert Russland in den letzten Jahren zunehmend selbstbewusst: «‹Weltenbrand›, ein grosser Krieg, neue Flüchtlingskrisen – diese Fragen werden von Russland mitbeeinflusst», sagt Voegeli.
Gerade auch in der deutschen Regierungskoalition aus CDU und SPD herrschen geteilte Meinungen, wie mit Russland zu verfahren ist. Mancher Sozialdemokrat erinnert sich wehmütig an die eigenständige Ostpolitik eines Willy Brandt.
In der CDU ist die Sichtweise verbreitet, Deutschland dürfe nicht aus der westlichen Phalanx gegenüber dem Kreml ausscheren. Aber: Angesichts der Krise im transatlantischen Verhältnis gehe Berlins Blick derzeit verstärkt nach Russland, so Voegeli.
Trumpsche Turbulenzen
David Nauer, SRF-Korrespondent in Moskau, bestätigt, dass auch der Kreml auf politisches Tauwetter hofft: «Mit Donald Trump wird das westliche Bündnis richtiggehend durchgeschüttelt. Russland kann sich nun wieder als Partner ins Spiel bringen.»
Moskau habe die enge Anbindung Westeuropas an die USA schon immer als strategischen Nachteil betrachtet: «Trumps Politik ist deswegen ein Geschenk für Russland.»
Eine strategische Partnerschaft zwischen Berlin und Moskau scheint jedoch bis auf Weiteres illusorisch. «Für Merkel ist klar, dass Russland wichtig ist. Die USA aber sind überlebenswichtig», sagt Deutschland-Korrespondent Voegeli.
Merkel steht für die westlichen Werte, die liberale Demokratie, für den alten Westen. Putin dagegen ist ein knallharter Machtpolitiker, der autoritär regiert.
Ohnehin gebe es zwischen Berlin und Moskau derzeit mehr Trennendes als Verbindendes: Von Syrien über die Ostukraine bis hin zu mutmasslich russischen Hackerangriffen auf den deutschen Bundestag lässt sich die Liste beliebig fortführen.
Der Polit-Macho und die Physikerin der Macht
Kommt hinzu: Merkel und Putin sind keine Freunde. Stehen einer deutsch-russischen Verständigung gar persönliche Animositäten im Weg? Merkel denke nicht in Kategorien von Freund und Feind, sagt der Deutschland-Korrespondent: «Sie denkt in Interessenkategorien.»
Merkels Beziehung zu Putin gestalte sich aber durchaus speziell. Ein Beispiel: «Dem Vernehmen nach spricht Merkel, die die Sprache beherrscht, nicht mehr russisch mit Putin», so Voegeli.
David Nauer sagt es so: «Putin hat heute eher eine Gegenspielerin empfangen.» Merkel stehe für die westlichen Werte, die liberale Demokratie, für den «alten Westen», wie man ihn seit Jahrzehnten kenne. «Putin dagegen ist ein knallharter Machtpolitiker, der autoritär regiert.»
Und der Kreml-Chef baue internationale Beziehungen mit Vorliebe auf Männerfreundschaften auf. Bestes Beispiel ist Merkels Vorgänger Gerhard Schröder: Putin und der deutsche Sozialdemokrat pflegten das bilaterale Verhältnis gerne auch beim Bier in der Sauna.
Solche Bilder wird es von Putin und Merkel kaum geben. «Mit Merkel geht das natürlich nicht. Sie ist eine trockene Sachpolitikerin», sagt Nauer. Aber genau, weil sie so anders sei als Putin, werde sie von den Russen geachtet. Der Respekt gegenüber der Kanzlerin, die in ihre letzte Amtszeit geht, sei gross in Moskau.