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MH17-Prozess beginnt Wer war schuld am Tod von 298 Passagieren?

  • Heute Montag beginnt der Prozess gegen vier mutmasslich Mitverantwortliche für den Abschuss des Passagierflugzeugs über dem Kriegsgebiet der Ost-Ukraine im Juli 2014.
  • 298 Passagiere kamen dabei ums Leben, unter ihnen fast 200 Niederländerinnen und Niederländer.
  • Aus diesem Grund wird das komplexe Verfahren in den Niederlanden unter niederländischem Recht durchgeführt.

Jahrelang hat ein Team von internationalen Ermittlern die Umstände untersucht, die zum Abschuss von Flug MH17 geführt haben. Das Fazit: Die Zivilmaschine wurde von einer russischen BUK-Rakete getroffen.

Hohe russische Offiziere unter Verdacht

Im Visier der niederländischen Staatsanwaltschaft sind auch drei hohe russische Offiziere sowie ein ukrainischer Rebellen-Kommandant. Gegen alle vier wurden internationale Haftbefehle ausgestellt. Die Verdächtigen sind unter anderem wegen 298-fachem vorsätzlichem Mord angeklagt.

Weil Russland eine Beteiligung am Abschuss vehement abstreitet, ist es kaum wahrscheinlich, dass das Quartett am Montag um 10 Uhr tatsächlich im Gerichtssaal erscheinen wird.

Spannende Fragen vor dem Prozessauftakt

So oder so hätten die vier Männer drei Möglichkeiten, erklärt Assistenz-Professorin Marike de Haan von der Freien Universität in Amsterdam:

  • Die Vier könnten am Montag entweder vor den Richtern erscheinen, wobei sie allerdings Gefahr liefen, direkt verhaftet zu werden.
  • Oder sie könnten einen Anwalt schicken, der ihre Interessen wahrnehme.
  • Oder sie könnten dem Verfahren auch einfach fernbleiben.

Die Angeklagten hätten das Recht dem Prozess beizuwohnen – jedoch nicht die Pflicht, erläutert die Juristin, die sich in den letzten Jahren intensiv mit der hochkomplexen MH17-Materie befasst hat. Im Vorfeld hatte einer der Verdächtigen angegeben, einen Verteidiger entsenden zu wollen. Ob er das tatsächlich tut, wird sich am Montag zeigen.

Prozess ist in jedem Fall sinnvoll

Die Chance ist aber sehr gross, dass das Verfahren ohne die vier Angeklagten stattfinden wird wie das unter niederländischem Recht möglich ist. Das sei ganz und gar nicht sinnlos, so Marieke de Haan. Vielmehr diene ein solcher Prozess der Wahrheitsfindung weil die Richter ganz genau prüfen müssten, ob die vorgelegten Beweismittel von der Anklage genügend unterbaut worden seien.

Zudem: Ein solcher Prozess, auch ohne Angeklagte, sei wichtig für die Angehörigen, damit sie diese ganze schwierige Phase abschliessen könnten, sagt die Niederländerin. Doch es wird Jahre dauern, bis es soweit ist. Denn es wird bei diesem MH17-Prozess nicht nur ein Mix von nationalem und internationalem Strafrecht, Kriegsrecht, Völkerrecht, Luftfahrtrecht, sondern auch Menschenrechte angewendet, was sich in der Praxis als sehr zeitraubend herausstellen dürfte.

Bislang kein Verfahren gegen Hauptverantwortliche

Die Parteien haben auch das Recht, während des laufenden Verfahrens bei einzelnen Entscheidungen des Gerichts sämtliche Berufungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Hinzu kommt: Bei der ganzen Komplexität sollte nicht vergessen werden, dass es in diesem Prozess nur gerade um die Rolle von mutmasslichen Handlangern geht. Gegen die Hauptverantwortlichen, jene, die beschlossen haben, die BUK-Rakete abzuschiessen, gibt es bislang kein Verfahren.

SRF-Russland-Korrespondentin Luzia Tschirky schätzt ein:

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«Russland weist auch fast sechs Jahre nach dem Absturz von Flug MH17 über der Ostukraine jegliche Mitverantwortung von sich. Mehrere Theorien sind von russischer Seite im Laufe der Zeit genannt worden. Eine schlüssige Erklärung, was zum Absturz geführt hat, ist Russland jedoch schuldig geblieben. Das russische Verteidigungsministerium hat sich selbst in Widersprüche verwickelt. Trotzdem publizierte die russische Agentur Ria Nowosti anlässlich des Prozessauftaktes einen Artikel mit dem Standpunkt, man hätte angebliche Beweise seitens Russland nicht in die Untersuchung miteinbezogen. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Marija Sacharowa, erhob vergangene Woche Vorwürfe gegen die niederländische Regierung. Diese unterstütze eine Informationskampagne gegen Russland. Laut Sacharowa habe Russland versucht, mit allen Staaten, die in die Ermittlungen einbezogen seien, zusammenzuarbeiten. Dieser Darstellung haben die leitenden Ermittler in der Vergangenheit vehement widersprochen.»

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