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Migrationspolitik in Finnland Darum plant Finnland jetzt Pushbacks an der Grenze zu Russland

Finnland will Menschen ohne Papiere bald direkt an der russischen Grenze zurückweisen. Das rechtlich fragwürdige Gesetz hat im Parlament beste Chancen. Die Hintergründe von Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann.

Die Ausgangslage: Die finnische Regierung wirft Russland vor, gezielt besonders viele Migrantinnen und Migranten in die russisch-finnischen Grenzzonen vorzulassen, um dort Chaos zu stiften. Zu diesem Schluss kam der finnische Geheimdienst. Helsinki hatte deshalb bereits Ende des vergangenen Jahres alle Grenzübergänge zu Russland, bis auf den nördlichsten, geschlossen. Beschlossen ist auch der Bau von Grenzzäunen über mehrere hundert Kilometer. Erst gestern gingen die letzten offenen Seegrenzen zu Russland in der Ostsee zu.

Der Plan: Die finnische Regierung – unter dem konservativen Ministerpräsidenten Petteri Orpo – bereitet zurzeit ein neues Gesetz vor, das an der 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland auch sogenannte Pushbacks erlauben soll. Dabei handelt es sich um eine direkte Rückweisung von Einreisewilligen, ohne dass diese ein Asylgesuch stellen können. Es ist ein weiteres Zeichen Helsinkis an Moskau, dass sich Finnland den organisierten Migrationsströmen nicht beugen will.

Die Chancen: Die Einführung von Pushbacks ist umstritten, weil Finnland damit das bisher hochgehaltene Asylrecht für Flüchtende aushöhlen würde. Zugleich stellt niemand die unfreundlichen Absichten Russlands infrage. Für Finnland ist die Grenze zu Russland seit über einem Jahrhundert so etwas wie ein Fiebermesser für die Befindlichkeit des Kremls. Die Zeichen sind derzeit alles andere als friedlich. Die finnische Grenzschutzbehörde geht davon aus, dass mit den höheren Temperaturen wieder mehr Menschen nach Finnland einreisen möchten.

Das Völkerrecht: Mit dem neuen Gesetz würde Finnland gegen das Völkerrecht verstossen. Doch die finnische Regierung spricht bei den Pushbacks von einer Art Ausnahmebestimmung, die die Rechtsstaatlichkeit wahre und auch das Völkerrecht nicht grundsätzlich infrage stelle. Es handele sich um eine Ausnahme von der Regel in einer für die nationale Sicherheit Finnlands kritischen Situation. Eine Güterabwägung, die zulasten des Asylrechts gehen könne.

Legende: Finnland hatte bereits im November die meisten Grenzübergänge zu Russland geschlossen. Im Bild der finnische Grenzposten in Vartius am 23. November 2023. Imago/Scanpix/Konstantin Sednev

Die Folgen: Der geplante Schritt Finnlands zeigt, wie demokratische Staaten gegenüber autoritären Staaten letztlich am kürzeren Hebel sitzen. Im konkreten Fall gegenüber der Taktik Russlands, Flüchtende ohne Papiere in die bisher weitgehend gesperrten Grenzzonen zu Finnland vorzulassen. Es ist auch eine Retourkutsche auf den Nato-Beitritt des längst nicht mehr freiwillig neutralen Finnlands. Moskau zwingt damit Finnland, die eigenen Werte infrage zu stellen.

Die weiteren Schritte: In Finnland laufen zurzeit noch Verhandlungen zwischen der Regierung und der Opposition über die Gesetzespläne. In der Haltung gegenüber Russland herrscht dabei grosse Einigkeit. Das hat sich schon beim Nato-Beitritt gezeigt. Dort gab es nur sehr wenige Gegenstimmen. In der Frage des verschärften Asylrechts geht es nun weniger darum, ob, sondern wie die neue Regelung umgesetzt werden soll. Es wird damit gerechnet, dass Ministerpräsident Orpo das Gesetz in den nächsten Tagen dem Parlament zur Abstimmung vorlegen wird.

SRF 4 News aktuell, 16.04.2024, 06:26 Uhr ; 

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