«Willkommen in Epping» steht am Bahnhof auf einem Schild zwischen akkurat geschnittenen Weissdornhecken. Doch nicht alle sind in der Stadt nördlich von London willkommen. Vor dem «Bell Hotel» am Ortsausgang kam es in diesem Sommer zu wüsten Szenen.
Im «Bell Hotel» sind seit einigen Monaten 132 Asylbewerber untergebracht. Nachdem ein Afghane ein 14-jähriges Mädchen sexuell belästigt hatte, kam es im Juli zu massiven Protesten der lokalen Bevölkerung. Heute gleicht das Hotel einer eingezäunten Festung.
Die britische Regierung verspricht seit Jahren, das Problem der irregulären Einwanderung zu lösen. Die Konservativen wollten Leute, die über den Ärmelkanal nach Grossbritannien kommen, nach Ruanda ausschaffen. Labour versprach, die Boote bereits in Frankreich zu stoppen.
Doch nichts sei geschehen, sagt eine Frau vor dem Einkaufszentrum in Epping. Sie finde die Proteste auch nicht gut, aber junge Männer während Monaten in einem Hotel in der Provinz unterzubringen, sei keine schlaue Idee.
Wenn ich den Arzt aufsuchen möchte, muss ich zwei bis drei Wochen auf einen Termin warten.
Fast an jedem Laternenmast in Epping flattert heute eine englische Flagge. Denn man fühle sich zunehmend fremd im eigenen Land, meint ein älterer Herr, der an Krücken geht. «Wenn ich den Arzt aufsuchen möchte, muss ich zwei bis drei Wochen auf einen Termin warten. Die Migranten dagegen bekommen sofort einen Termin im Spital oder beim Zahnarzt und lassen sich auf unsere Kosten behandeln. Deshalb ist unser Gesundheitssystem so überlastet. Wir wollen das nicht. Schickt sie dorthin zurück, wo sie herkommen.»
Die Wartezeiten im maroden britischen Gesundheitssystem sind unbestritten lang. Ob Migranten in Epping tatsächlich bevorzugt behandelt werden, lässt sich dagegen nicht bestätigen.
Es fehlt an Perspektiven
Eine Tatsache ist jedoch, dass es in vielen Städten Englands an wirtschaftlichen Perspektiven fehlt. Arbeitslosigkeit, Armut und Drogenprobleme prägen den Alltag. Die von der Regierung versprochene Verbesserung der Lebensumstände lässt bis heute auf sich warten.
Meine Tochter geht noch zur Schule und eine ihrer Freundinnen wurde von einem dieser Kerle aus dem Asyl-Hotel belästigt.
Die Enttäuschung entlädt sich oft an Migranten, die in Hotels leben, während den Einheimischen das Geld für Ferien fehlt. Sie müssten weg, fordert ein Mann, der gerade Hundefutter in sein Auto lädt. «Meine Tochter geht noch zur Schule und eine ihrer Freundinnen wurde von einem dieser Kerle aus dem Asyl-Hotel belästigt. Als Vater muss ich meine Tochter schützen. Die müssen die Stadt verlassen, sonst wird es hier wieder Proteste geben.»
«Verschwendung von Steuergeldern»
Es gibt durchaus Leute in Epping, die das anders sehen. Was hier gerade passiere, sei eine völlige Überreaktion, sagt eine junge Frau. Menschen in Not müsse geholfen werden.
Es muss viel schneller entschieden werden, wer bleiben darf, aber ebenso, wer ausgeschafft wird.
Diese Meinung vertritt gleichentags auch Enver Soloman, der Vorsitzende des britischen Flüchtlingskomitees, gegenüber der BBC. Doch selbst er sagt, dass die jetzige Situation unhaltbar sei: «Ich vermute, wir sind uns alle einig, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels eine Verschwendung von Steuergeldern ist. Es provoziert die Bevölkerung. Es kann nicht sein, dass zehntausende von Leuten bis zu drei Jahren in einem Hotel auf einen Asylentscheid warten. Das ist für alle Beteiligten eine Zumutung. Es muss viel schneller entschieden werden, wer bleiben darf, aber ebenso, wer ausgeschafft wird.»
Epping ist nur ein kleiner Flecken nördlich von London, aber was hier gerade passiert, könnte die britische Regierung in den kommenden Wochen noch ins Schwitzen bringen.