Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Migrationsproblem in England Asylsuchende im Hotel führen zu Protesten in Kleinstadt

In einem Städtchen in England wurden Asylbewerber in einem Hotel untergebracht. Das führte zu Protesten.

«Willkommen in Epping» steht am Bahnhof auf einem Schild zwischen akkurat geschnittenen Weissdornhecken. Doch nicht alle sind in der Stadt nördlich von London willkommen. Vor dem «Bell Hotel» am Ortsausgang kam es in diesem Sommer zu wüsten Szenen.  

Die U-Bahnstation von Epping
Legende: Epping, ein Ort wie viele andere in England. SRF / Patrik Wülser

Im «Bell Hotel» sind seit einigen Monaten 132 Asylbewerber untergebracht. Nachdem ein Afghane ein 14-jähriges Mädchen sexuell belästigt hatte, kam es im Juli zu massiven Protesten der lokalen Bevölkerung. Heute gleicht das Hotel einer eingezäunten Festung.

30'000 Asylsuchende wohnen in Hotels

Box aufklappen Box zuklappen

Das «Bell Hotel» ist kein Einzelfall: Über 30'000 Asylbewerbende sind in England in insgesamt 200 Hotels untergebracht. Das kostet die Allgemeinheit in Grossbritannien fast zehn Millionen Franken pro Tag.

Die britische Regierung verspricht seit Jahren, das Problem der irregulären Einwanderung zu lösen. Die Konservativen wollten Leute, die über den Ärmelkanal nach Grossbritannien kommen, nach Ruanda ausschaffen. Labour versprach, die Boote bereits in Frankreich zu stoppen.

Ein Haus in englischem Baustil mit einem Zaun darum
Legende: Das «Bell Hotel» in Epping wird stark abgesichert. SRF / Patrik Wülser

Doch nichts sei geschehen, sagt eine Frau vor dem Einkaufszentrum in Epping. Sie finde die Proteste auch nicht gut, aber junge Männer während Monaten in einem Hotel in der Provinz unterzubringen, sei keine schlaue Idee. 

Wenn ich den Arzt aufsuchen möchte, muss ich zwei bis drei Wochen auf einen Termin warten.
Autor: Älterer Passant in Epping

Fast an jedem Laternenmast in Epping flattert heute eine englische Flagge. Denn man fühle sich zunehmend fremd im eigenen Land, meint ein älterer Herr, der an Krücken geht. «Wenn ich den Arzt aufsuchen möchte, muss ich zwei bis drei Wochen auf einen Termin warten. Die Migranten dagegen bekommen sofort einen Termin im Spital oder beim Zahnarzt und lassen sich auf unsere Kosten behandeln. Deshalb ist unser Gesundheitssystem so überlastet. Wir wollen das nicht. Schickt sie dorthin zurück, wo sie herkommen.»

Männer und Frauen mit englischen und britischen Fahnen demonstrieren hinter eine Absperrung
Legende: Nachdem ein in dem Hotel lebender Afghane ein Mädchen belästigt hatte, kam es zu grossen Protesten gegen die Unterbringung von Asylsuchenden. Reuters / Jamie Joy

Die Wartezeiten im maroden britischen Gesundheitssystem sind unbestritten lang. Ob Migranten in Epping tatsächlich bevorzugt behandelt werden, lässt sich dagegen nicht bestätigen.

Es fehlt an Perspektiven

Eine Tatsache ist jedoch, dass es in vielen Städten Englands an wirtschaftlichen Perspektiven fehlt. Arbeitslosigkeit, Armut und Drogenprobleme prägen den Alltag. Die von der Regierung versprochene Verbesserung der Lebensumstände lässt bis heute auf sich warten.

Meine Tochter geht noch zur Schule und eine ihrer Freundinnen wurde von einem dieser Kerle aus dem Asyl-Hotel belästigt.
Autor: Vater einer Minderjährigen in Epping

Die Enttäuschung entlädt sich oft an Migranten, die in Hotels leben, während den Einheimischen das Geld für Ferien fehlt. Sie müssten weg, fordert ein Mann, der gerade Hundefutter in sein Auto lädt. «Meine Tochter geht noch zur Schule und eine ihrer Freundinnen wurde von einem dieser Kerle aus dem Asyl-Hotel belästigt. Als Vater muss ich meine Tochter schützen. Die müssen die Stadt verlassen, sonst wird es hier wieder Proteste geben.»

«Verschwendung von Steuergeldern»

Es gibt durchaus Leute in Epping, die das anders sehen. Was hier gerade passiere, sei eine völlige Überreaktion, sagt eine junge Frau. Menschen in Not müsse geholfen werden.

Es muss viel schneller entschieden werden, wer bleiben darf, aber ebenso, wer ausgeschafft wird.
Autor: Enver Soloman Vorsitzender des britischen Flüchtlingskomitees

Diese Meinung vertritt gleichentags auch Enver Soloman, der Vorsitzende des britischen Flüchtlingskomitees, gegenüber der BBC. Doch selbst er sagt, dass die jetzige Situation unhaltbar sei: «Ich vermute, wir sind uns alle einig, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels eine Verschwendung von Steuergeldern ist. Es provoziert die Bevölkerung. Es kann nicht sein, dass zehntausende von Leuten bis zu drei Jahren in einem Hotel auf einen Asylentscheid warten. Das ist für alle Beteiligten eine Zumutung. Es muss viel schneller entschieden werden, wer bleiben darf, aber ebenso, wer ausgeschafft wird.»

In Epping wurde die Sache gerichtlich geklärt

Box aufklappen Box zuklappen

In Epping haben die Lokalbehörden das Problem mittlerweile selbst in die Hand genommen. Sie klagten vor Gericht, dass die Nutzung des «Bell Hotels» nicht zonenkonform sei.

Der High Court gab der Gemeinde vergangene Woche recht. Bis zum 12. September muss die Asyl-Unterkunft geräumt werden. Die Unterbringung sei tatsächlich nicht zonenkonform und die Proteste würden die öffentliche Ordnung gefährden, argumentieren die Richter.

Die konservative Opposition ruft deshalb die Lokalbehörden im ganzen Land auf, ebenfalls vor Gericht zu ziehen. Und Nigel Farage von der rechten «Reform UK»-Partei fordert die Britinnen und Briten gar zu Protesten vor Asylunterkünften auf.

Epping ist nur ein kleiner Flecken nördlich von London, aber was hier gerade passiert, könnte die britische Regierung in den kommenden Wochen noch ins Schwitzen bringen.

Echo der Zeit, 28.8.2025, 18 Uhr; wilh

Meistgelesene Artikel