Kehrtwende in Marokko: 12 Jahre nach seiner Abschaffung wird der obligatorische Militärdienst wiedereingeführt. Demnach sollen junge Männer ab 18 künftig einen zwölfmonatigen Militärdienst leisten müssen.
Rabat geht es nicht darum, die Schlagkraft seiner Streitkräfte zu stärken, wie Beat Stauffer, SRF-Mitarbeiter im Maghreb, berichtet: «Die Armee braucht diese jungen Leute nicht. Es handelt sich um eine erzieherische Massnahme.»
So soll mit der Wiedereinführung der Wehrpflicht, wie das Königshaus in einem Communiqué verkündet, der «Patriotismus unter der jungen Generation gefördert werden.»
Extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit
Dieser dürfte in den letzten Jahren tatsächlich Schaden genommen haben. Die prekäre Wirtschaftslage im Land speist den Unmut unter der jungen Bevölkerung des Maghreb-Staats. Wiederholt hat er sich in Strassenprotesten und Grossdemonstrationen entladen.
Stauffer bestätigt: «Der Hauptgrund für die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit.» Laut offiziellen Zahlen sind vier von zehn Jugendlichen in Marokkos Städten ohne Arbeit. Die Weltbank beziffert die Jugendarbeitslosigkeit im nordafrikanischen Königreich auf fast 30 Prozent.
Eine vielsagende Passage im offiziellen Papier des Königshauses nennt als Ziel der Initiative «die Integration ins berufliche und soziale Leben». Zudem sollen Disziplin und Bürgersinn gestärkt werden.
Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass unser Bildungssystem Legionen von Arbeitslosen fabriziert.
Auch an anderer Stelle versucht Rabat, der gebeutelten Jugend neue Perspektiven zu eröffnen. Die Massnahme wurde gleichzeitig mit der Reform des Bildungswesens verkündet. Unter anderem soll die Schulpflicht vom 15. auf das 16. Lebensjahr erhöht werden, begleitet von einem «leistungsfähigeren pädagogischen Modell», so das offizielle Bulletin des Königshauses.
So weit, so vage. Deutlicher wurde König Mohammed, der seit 1999 regiert: «Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass unser Bildungssystem Legionen von Arbeitslosen fabriziert», sagte er am Montag. Weiter drückte der König seine «Konsternation» über die hohe Zahl an Arbeitslosen unter der jungen Generation aus.
Militärdienst als Beschäftigungstherapie?
Dem König gehe es auch darum, der mitunter jahrelang untätigen Jugend, die teils auch kriminell werde, eine Aufgabe zu geben, sagt Stauffer. Die royale Initiative zielt denn auch nicht auf die «goldene Jugend» ab, also junge Menschen aus begüterten Familien.
Wie Stauffer schildert, repräsentiert sie das «andere» Marokko: In der Metropole Marrakesch etwa zelebriere sie ihr Leben in Saus und Braus und fahre in Luxuskarossen vor: «Das ist eine gewaltige Provokation für die Jugendlichen, die keinen Zugang zu diesen Dingen haben.»
Stauffer zweifelt an, dass auch die «goldene Jugend» Militärdienst leisten muss. Bis jetzt hatten sich diese Kreise immer um derartige Verpflichtungen drücken können.
Zweifel am Sinn des Unternehmens
Darüber, ob der Dienst am Vaterland Zukunftsperspektiven und Bürgersinn schaffen kann, sind die Meinungen im Land geteilt. Für herumlungernde Jugendliche könne Disziplin und Struktur womöglich tatsächlich förderlich sein, so Stauffer.
Aber: «Die Armee verfügt nicht über die nötigen Strukturen, um diesen jungen Menschen eine Ausbildung zu geben.» Was es brauche, um im Leben erfolgreich zu sein, könne die Armee kaum vermitteln, schliesst Stauffer.