- Im Prozess um den wohl islamistisch motivierten Terroranschlag in Nizza vor sechseinhalb Jahren mit 86 Toten hat das Gericht geurteilt.
- Der Vorsitzende Richter Laurent Raviot sagte im Pariser Justizpalast, zwei Hauptangeklagte hätten den Attentäter moralisch und materiell unterstützt und ihn inspiriert.
- Sie wurden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 18 Jahren verurteilt.
- Weitere fünf Beschuldigte sollen zwischen zwei und zwölf Jahren in Haft.
Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, war der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel auf der Flaniermeile Promenade des Anglais in Nizza mit einem tonnenschweren Lastwagen in eine Menschenmenge gerast. Dabei schoss er auch auf Menschen. Dabei kam es zu 86 Todesopfern, mehr als 200 Menschen wurden verletzt. Der Gewalttäter wurde nach der Tat erschossen. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich.
Laut Gericht war dieses angebliche Bekenntnis trotz des Interesses des Täters für den Dschihadismus opportunistisch. Eine Verbindung zu einer Terrororganisation sei nicht gefunden worden, aber eine klare Inspiration beim Dschihadismus.
Staatsanwaltschaft fordert bis zu 15 Jahre und Landesverweise
Seit September rollte das Spezialgericht in Paris den Anschlag in Nizza auf. Mehr als 2000 Angehörige und Opfer traten als Nebenklägerinnen und Nebenkläger auf. Über vier Wochen hinweg berichteten sie vor Gericht von ihren Erinnerungen an die Attacke und von den Spuren, die der Terrorakt bei ihnen hinterlassen hat.
Der Hauptangeklagte, ein Freund von Bouhlel, wurde in Paris wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer 18-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch bei zwei weiteren Angeklagten sah das Gericht den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe bestätigt und verhängte Haftstrafen von 18 beziehungsweise zwölf Jahren. Sie haben demnach Bouhlel bei der Beschaffung von Waffen und des Lastwagens geholfen.
Weitere fünf Beschuldigte im Prozess, die ebenfalls in die Beschaffung einer Waffe involviert waren, sollen zwischen zwei und acht Jahren in Haft. Gegen die Urteile kann Berufung eingelegt werden.
Ursprünglich forderte die Staatsanwaltschaft für die sieben angeklagten Männer und die angeklagte Frau Haftstrafen zwischen zwei und 15 Jahren sowie teils Landesverweise.
Mitgliedschaft in Terrorvereinigung
Drei der acht Angeklagten warf die Staatsanwaltschaft Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Die engen Bekannten von Bouhlel hätten um dessen Ideologie gewusst und diese zumindest ansatzweise geteilt. Sie seien sich zudem im Klaren gewesen, dass ihr Bekannter in der Lage sei, einen Anschlag zu begehen.
Obwohl Bouhlel damals von der Polizei getötet wurde, waren die Vorbereitung seiner Tat sowie seine Gesinnung wesentlicher Bestandteil des Prozesses. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass der Attentäter über weitaus mehr als blosse Neugier für den IS verfügte. Er habe sich zahlreiche Köpfungsvideos der Terrormiliz angesehen. Zudem habe er intensivste – irgendwann tägliche – Recherchen betrieben, etwa zum Geschehen in Syrien und dem Irak, zu Terroraufrufen, zum IS und zu Al-Kaida, wie auch zum Aufputschmittel Captagon, das als «Dschihadisten-Droge» gilt. «Der Täter wollte (dem Anschlag) sehr eindeutig eine dschihadistische Dimension geben», hiess es im Schlussplädoyer der Anklage.