Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras kann weiterregieren. Das Parlament in Athen hat ihm am Abend mit 153 zu 136 Stimmen das Vertrauen ausgesprochen. Zuvor hatte die konservative griechische Opposition ein Misstrauensvotum gegen einen Vize-Minister der Regierung gestellt. Regierungschef Tsipras drehte jedoch den Spiess um und stellte selbst die Vertrauensfrage.
Verbaler Schlagabtausch im Parlament
Das Niveau im griechischen Parlament war in den vergangenen Tagen so niedrig wie schon lange nicht mehr. Es kam zu heftigen Schlagabtauschen, Beschuldigungen und Beleidigungen.
Die Konservativen prangerten das schlechte Verhalten des linken Vize-Gesundheitsministers Pavlos Polakis an und stellten einen Misstrauensantrag gegen ihn. Polakis hatte sich abfällig gegen einen behinderten Kandidaten der Partei Nea Dimokratia geäussert.
Zudem versuchten die Konservativen, einen Skandal um den linken Premierminister Alexis Tsipras für sich auszuschlachten.
Vor wenigen Tagen waren Fotos an die Öffentlichkeit gelangt, auf denen Regierungschef Tsipras zu sehen ist, wie er seine Ferien auf einer Luxusjacht verbringt. Die Bilder sollen kurz nach den Waldbränden vom letzten Juli entstanden sein. Rund hundert Menschen kamen damals ums Leben.
Kritik an elitärem Lebensstil
Die Ferienfotos waren ein gefundenes Fressen für Kyriakos Mitsotakis, Parteichef der Nea Dimokratia. «Das ist die Moral der Macht, wie sie der Premier versteht», warf er Tsipras vor. «Das ist das einfache Leben auf den Decks der Reichen. Das ist Ihr Kampf gegen die Korruption und Vetternwirtschaft. Wie wollen Sie jemals wieder die Elite kritisieren?»
Die Reaktion des Attackierten kam postwendend. Tsipras wandte sich per Du an den konservativen Mitsotakis, dessen Vater in den 1990er Jahren griechischer Premierminister war: «Ich bin nicht als Reicher in die Politik eingestiegen.» Er sei auch nicht reich geworden und gehöre keiner Politikerfamilie an, die nie etwas anderes gemacht habe ausser Politik und zudem steinreich sei. «Gerade du solltest mit mir nicht über die Elite und das Volk reden, Kyriakos!», rief Tsipras.
Die dreitägige Debatte rund um die Vertrauensfrage liess keinen Zweifel daran, dass Griechenland mitten im Wahlkampf steckt. Am 26. Mai gehen die Griechen nicht nur für die Wahl des Europaparlaments an die Urne. Auch Stadt- und Gemeindepräsidenten sowie Stadträte stehen zur Wahl. Die Ergebnisse gelten als wegweisend für die griechischen Parlamentswahlen im Herbst.
Geschenk verfehlt seine Wirkung nicht
Das erklärt wohl auch das milliardenschwere Hilfspaket, das die linke Regierung einen Tag vor Beginn der Parlamentsdebatte zur Vertrauensfrage gestellt hatte. Damit soll die Mehrwertsteuer in der Gastronomie, auf Lebensmittel, Strom und Gas sinken. Alle Rentner sollen noch diesen Monat eine Einmalzahlung erhalten.
Die Rechnung scheint aufzugehen: Nach der Ankündigung des Hilfspakets ist der Vorsprung der Konservativen, der lange im zweistelligen Bereich lag, auf sieben Prozent geschmolzen. Obwohl Tsipras nur eine Minderheitsregierung anführt, wäre ein Scheitern bei der Vertrauensabstimmung eine Überraschung gewesen. Und etwas Wahlkampf hat dabei auch noch herausgeschaut.