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Muslime auf den Philippinen Dieser Krieg kann nicht mit Gewehrkugeln gewonnen werden

Die südphilippinische Stadt Marawi ist von IS-Terroristen befreit. Der Preis für den Sieg der Armee ist allerdings hoch.

Müde Soldaten lehnen an ihren gepanzerten Fahrzeugen. Ein streunender Hund bellt wild, doch er ist zu verängstigt, um näher zu kommen. Knochen liegen vor einer Ruine. Darin muss sich einst ein Schuhladen befunden haben, denn Dutzende Schuhe liegen in wildem Chaos am Boden verstreut.

Zerschossener Laden, am Boden liegen Schuhe.
Legende: Dies war wohl mal ein Schuhladen. srf/karin wenger

In grossen, schwarzen Lettern ist auf Hausfassaden immer wieder «IS», «Islamischer Staat», oder «Maute», so heisst die lokale islamistische Terrorgruppe, gesprayt. Die Hausmauern sind von Schüssen durchsiebt.

Obwohl im Stadtzentrum die letzten Kämpfe noch im Gang sind, feiern Soldaten in den Ruinen der lokalen Hochschule das Ende der Besatzung von Marawi – und sie feiern, dass sie überlebt haben.

Hunderttausende Vertriebene

Vor genau fünf Monaten wurde die südphilippinische Stadt Marawi auf Mindanao von Dschihadisten eingenommen. Sie hatten der Terrorgruppe IS die Treue geschworen und wollten ein Kalifat errichten. Nach monatelangem, zähem Häuserkampf und einer Bombenkampagne ist die Stadt nun fast gänzlich frei von Terroristen. Die Kriegsbilanz jedoch ist düster: 920 Extremisten, 165 Regierungssoldaten und 47 Zivilisten wurden getötet. Mehr als 350'000 Zivilisten wurden aus der Stadt vertrieben. Und: Der Stadtkern liegt in Trümmern.

Weinen um all die Toten

Captain Omar hat fünf Monate lang ununterbrochen gekämpft und zwei seiner Männer verloren. Es sei glücklich, dass alles endlich vorbei sei, sagt er. «Ich bin froh für die Bewohner von Marawi und für meine Männer, aber nicht für die, die ihre Ehemänner und Väter verloren haben.» Im Stillen habe er um sie geweint.

In den vergangenen Monaten hatte Präsident Rodrigo Duterte mehrfach das Ende des Krieges um Marawi angekündigt Doch während Monaten kam das Ende nicht.

Strasse mit zerstörten Häusern.
Legende: Der Krieg um Marawi hat über 1000 Todesopfer gefordert. srf/karin wenger

IS-Terroristen aus Syrien und Irak

Die philippinischen Soldaten sind zwar erfahren im Dschungelkampf, nicht aber im Häuserkampf. Und unter den mehr als 900 Extremisten waren auch Ausländer, die in Syrien und Irak gekämpft hatten und im Häuserkampf erprobt waren. Zudem hatten die Dschihadisten die Besatzung der muslimischen Stadt Marawi während Monaten vorbereitet.

Captain Omar sagt, er habe nicht mehr daran geglaubt, lebend nach Hause zu kommen: «Fünf Mal bin ich beinahe gestorben.» Einmal hätten die Extremisten mit einem Granatwerfer auf ihn geschossen, andere Male sei er nur knapp den Gewehrkugeln entkommen.

«Die Stadt ist so gross, dass ich am Anfang dachte, die erobern wir nie mehr zurück. Wir mussten uns Haus für Haus, Zimmer für Zimmer vorkämpfen.» Die einzige Freude sei gewesen, wenn er und seine Soldaten wieder einmal einen heissen Kaffee trinken konnten.

Soldaten und Armeefahrzeuge auf einer Strasse zwischen zerschossenen Häusern.
Legende: Die Innenstadt von Marawi ist völlig zerstört. srf/karin wenger

Wohin mit 350'000 Vertriebenen?

Doch auch wenn die Kämpfe nun vorbei sind, die Krise ist es noch längst nicht: Mehr als 350'000 Menschen sind aus der Stadt vertrieben worden. Die meisten wohnen bei Verwandten, andere in Evakuationszentren. Ihre Häuser sind ganz oder teilweise zerstört. Noch gebe es keinen Plan, wann und wohin diese Menschen zurückkehren könnten, sagt Zia Alonto Adiong, Sprecher des Krisenstabs der lokalen Regierung.

Geplant sei, temporäre Unterkünfte zu bauen. Er hoffe, dass die Regierung genügend Geld zur Verfügung stellen werde, um die Stadt wieder aufzubauen. Dies soll bis zu einer Milliarde Dollar kosten.

«Aber dieser Krieg kann nicht nur mit Gewehrkugeln gewonnen werden», fährt Adiong fort. «Das war keine nationale Befreiungsbewegung, die die Stadt besetzt hat, sondern der ‹Islamische Staat›, der seine Ideologie hier erfolgreich verbreiten konnte.»

Ein zerschossenes Strassenschild, zerstörte Häuser entlang einer Strasse.
Legende: Die Menschen sind schon zu Beginn der Kämpfe zu Hunderttausenden aus der Stadt gefohen. srf/karin wenger
Wir müssen den Menschen klar machen, dass Islam Friede bedeutet, und nicht Krieg.
Autor: Abdulhamid Amerbitor Lokaler Imam

Nebst dem Wiederaufbau brauche es jedoch ein Umdenken in der Regierung. Diese sitzt in Manila, rund 800 Kilometer weit entfernt. Viele Muslime auf Mindano fühlen sich von ihr vernachlässigt.

Doch auch in der muslimischen Gemeinschaft brauche es ein Umdenken, sagt Imam Abdulhamid Amerbitor, ein lokaler religiöser Führer: «Wir sind alle wütend auf den ‹Islamischen Staat› und den Maute-Clan.» Die muslimische Stadt Marawi sei nun eine verlorene Stadt, und der Islam sei missbraucht worden. «Wir müssen den Menschen klar machen, dass Islam Friede bedeutet, und nicht Krieg.»

Das zu erreichen wird länger dauern, als die zerbombte Stadt wieder aufzubauen.

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