Müde Soldaten lehnen an ihren gepanzerten Fahrzeugen. Ein streunender Hund bellt wild, doch er ist zu verängstigt, um näher zu kommen. Knochen liegen vor einer Ruine. Darin muss sich einst ein Schuhladen befunden haben, denn Dutzende Schuhe liegen in wildem Chaos am Boden verstreut.
In grossen, schwarzen Lettern ist auf Hausfassaden immer wieder «IS», «Islamischer Staat», oder «Maute», so heisst die lokale islamistische Terrorgruppe, gesprayt. Die Hausmauern sind von Schüssen durchsiebt.
Obwohl im Stadtzentrum die letzten Kämpfe noch im Gang sind, feiern Soldaten in den Ruinen der lokalen Hochschule das Ende der Besatzung von Marawi – und sie feiern, dass sie überlebt haben.
Weinen um all die Toten
Captain Omar hat fünf Monate lang ununterbrochen gekämpft und zwei seiner Männer verloren. Es sei glücklich, dass alles endlich vorbei sei, sagt er. «Ich bin froh für die Bewohner von Marawi und für meine Männer, aber nicht für die, die ihre Ehemänner und Väter verloren haben.» Im Stillen habe er um sie geweint.
In den vergangenen Monaten hatte Präsident Rodrigo Duterte mehrfach das Ende des Krieges um Marawi angekündigt Doch während Monaten kam das Ende nicht.
IS-Terroristen aus Syrien und Irak
Die philippinischen Soldaten sind zwar erfahren im Dschungelkampf, nicht aber im Häuserkampf. Und unter den mehr als 900 Extremisten waren auch Ausländer, die in Syrien und Irak gekämpft hatten und im Häuserkampf erprobt waren. Zudem hatten die Dschihadisten die Besatzung der muslimischen Stadt Marawi während Monaten vorbereitet.
Captain Omar sagt, er habe nicht mehr daran geglaubt, lebend nach Hause zu kommen: «Fünf Mal bin ich beinahe gestorben.» Einmal hätten die Extremisten mit einem Granatwerfer auf ihn geschossen, andere Male sei er nur knapp den Gewehrkugeln entkommen.
«Die Stadt ist so gross, dass ich am Anfang dachte, die erobern wir nie mehr zurück. Wir mussten uns Haus für Haus, Zimmer für Zimmer vorkämpfen.» Die einzige Freude sei gewesen, wenn er und seine Soldaten wieder einmal einen heissen Kaffee trinken konnten.
Wohin mit 350'000 Vertriebenen?
Doch auch wenn die Kämpfe nun vorbei sind, die Krise ist es noch längst nicht: Mehr als 350'000 Menschen sind aus der Stadt vertrieben worden. Die meisten wohnen bei Verwandten, andere in Evakuationszentren. Ihre Häuser sind ganz oder teilweise zerstört. Noch gebe es keinen Plan, wann und wohin diese Menschen zurückkehren könnten, sagt Zia Alonto Adiong, Sprecher des Krisenstabs der lokalen Regierung.
Geplant sei, temporäre Unterkünfte zu bauen. Er hoffe, dass die Regierung genügend Geld zur Verfügung stellen werde, um die Stadt wieder aufzubauen. Dies soll bis zu einer Milliarde Dollar kosten.
«Aber dieser Krieg kann nicht nur mit Gewehrkugeln gewonnen werden», fährt Adiong fort. «Das war keine nationale Befreiungsbewegung, die die Stadt besetzt hat, sondern der ‹Islamische Staat›, der seine Ideologie hier erfolgreich verbreiten konnte.»
Wir müssen den Menschen klar machen, dass Islam Friede bedeutet, und nicht Krieg.
Nebst dem Wiederaufbau brauche es jedoch ein Umdenken in der Regierung. Diese sitzt in Manila, rund 800 Kilometer weit entfernt. Viele Muslime auf Mindano fühlen sich von ihr vernachlässigt.
Doch auch in der muslimischen Gemeinschaft brauche es ein Umdenken, sagt Imam Abdulhamid Amerbitor, ein lokaler religiöser Führer: «Wir sind alle wütend auf den ‹Islamischen Staat› und den Maute-Clan.» Die muslimische Stadt Marawi sei nun eine verlorene Stadt, und der Islam sei missbraucht worden. «Wir müssen den Menschen klar machen, dass Islam Friede bedeutet, und nicht Krieg.»
Das zu erreichen wird länger dauern, als die zerbombte Stadt wieder aufzubauen.