In Honduras herrscht Ausnahmezustand. Das Land ist arm, die Kriminalität ist hoch. Seit den Präsidentschaftswahlen vor eineinhalb Wochen hat sich die ohnehin angespannte Situation weiter verschärft: Der Urnengang wird von Manipulationsvorwürfen überschattet. Die Bestätigung des Wahlergebnisses steht noch immer aus. Derzeit gilt eine nächtliche Ausgangssperre.
Trotzdem demonstrieren zehntausende Menschen, viele von ihnen friedlich. Doch es kommt auch zu gewalttätigen Krawallen und Plünderungen. «Cobra», eine Spezialeinheit der Polizei, weigert sich, gegen die Demonstranten vorzugehen: «Wir werden mit dem Volk auf der Strasse sein, wir werden es beschützen, damit wieder Frieden und Ruhe für die Honduraner einkehrt», sagte ein Cobra-Sprecher.
Es herrscht Chaos. Es ist völlig unklar, in welche Richtung es geht: Es kann sich durchaus in Gewalt entladen.
Die freie Journalistin Sandra Weiss hat sich unmittelbar vor den Wahlen in Honduras aufgehalten. Schon damals hat sie eine «seltsam angespannte Stimmung» gespürt: «Es war so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm.» Viele Menschen hätten in Gesprächen ihre Unzufriedenheit mit Präsident Juan Orlando Hernández ausgedrückt. Regierungsgegner werfen ihm vor, die Wahlen manipuliert zu haben (siehe Kasten).
Anzeichen für Hernandez' kompromissloses Festhalten an der Macht gab es schon im Vorfeld. Laut Verfassung hätte er gar nicht mehr zur Wahl antreten dürfen: Erst ein Richterspruch des obersten Gerichts ermöglichte ihm die Teilnahme. Allerdings hatte der Präsident das Gremium durch Personalrochaden auf Linie gebracht, genauso wie andere gewichtige Institutionen des Landes.
Viele Menschen im Land werfen dem Amtsinhaber vor, nur für die Eliten des Landes zu regieren und sich um die prekäre soziale Situation zu foutieren, sagt Weiss. Schon vor den Wahlen hätten manche damit gerechnet, dass sich der autoritär regierende Amtsinhaber im Zweifel durch Manipulationen im Amt halten würde: «Auch, weil Hernández ein wichtiger Verbündeter der USA ist, dachten sie, dass das Wahlergebnis schon von vornherein feststeht.»
Der nächste Präsident wird die Hälfte des Landes gegen sich haben.
Unberechtigt scheinen die Manipulationsvorwürfe nicht zu sein. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat Wahlbeobachter nach Honduras entsandt. In einem Zwischenbericht kommen sie, wie Weiss sagt, zu «beunruhigenden Schlüssen, für ein Land, das eigentlich eine Demokratie sein will.» Im Bericht werden Stimmenkäufe und Einschüchterungsversuche erwähnt. Sogar von Toten, die wählen gegangen sind, ist die Rede.
Jetzt sehen sich Hernández’ Kritiker bestätigt – und sie tragen ihre Wut auf die Strasse. Honduras sei normalerweise ein recht ruhiges Land, die Bevölkerung «ziemlich apathisch»: «Die schleppende Auszählung der Wahlen war wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.», sagt die Kennerin der Region. Die Proteste, auch die Gewalt, seien Ausdruck der Frustration, die sich über die Jahre angestaut habe.
Ein gespaltenes Land
Verpuffen die Proteste angesichts der herrschenden Verhältnisse wirkungslos? In drei Wochen sollen die offiziellen Resultate des Wahlgangs bekannt gegeben werden. Die OAS hat bereits angeboten, die Stimmen unter Beteiligung internationaler Beobachter und beider Parteien neu auszuzählen. Ob es dazu kommt, ist noch offen.
Unabhängig davon, wer letztlich den Sieg für sich beanspruchen kann: «Der nächste Präsident wird die Hälfte des Landes gegen sich haben», prognostiziert Weiss. Auch politisch herrscht ein fataler Patt zwischen den rivalisierenden Parteien. Für die Journalistin ist klar: «Es wird wohl noch sehr viel Unruhen und Krisen geben in Honduras.»