Zum Inhalt springen

Nach acht Jahren Hausarrest Witwe von Liu Xiaobo darf China verlassen

  • China hat die Witwe des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo nach Deutschland ausreisen lassen.
  • Liu Xia habe China verlassen, bestätigen Freunde und Verwandte.
  • Sie hatte acht Jahre lang unter Hausarrest gestanden.

Eine Frau zeigt ein Foto von ihr und ihrem Mann.
Legende: Liu Xia zeigt ein Porträt aus guten Zeiten. Die Witwe des Friedensnobelpreisträgers darf nach Deutschland ausreisen. Keystone / Archiv

China hat die seit acht Jahren unter Hausarrest stehende Witwe des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo ausreisen lassen. Die 57-jährige Liu Xia will zur medizinischen Behandlung nach Deutschland. Seine Schwester habe das Land an Bord einer Maschine verlassen, berichtete ihr Bruder Liu Hui.

Der Bruder gab die Nachricht, dass seine Schwester «ein neues Leben beginnt», in dem sozialen Netzwerk WeChat bekannt. Auch der Bürgerrechtsanwalt Mo Shaoping, der mit Liu Hui gesprochen hatte, bestätigte die Angaben des Bruders.

Die Freilassung erfolgte nur einen Tag nach dem Besuch des chinesischen Ministerpräsident Li Keqiang zu deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin.

Die Künstlerin, Fotografin und Dichterin leidet unter schweren Depressionen, wie ihre Freunde berichteten. Die Ausreise erfolgte nur drei Tage vor dem ersten Jahrestag des Todes von Liu Xiaobo, der am 13. Juli 2017 in Haft an Leberkrebs gestorben war.

Frei und doch nicht frei

Insofern ihr Bruder Liu Hui nicht mit ausreisen durfte, ist Liu Xia auch nach ihrer Ausreise aber nicht wirklich frei. Nach Angaben ihrer Freunde wird Liu Hui als «Geisel» zurückgehalten. Die Staatssicherheit wolle Liu Xia damit auch im Ausland zum Schweigen bringen, sagte der chinesische Bürgerrechtler Hu Jia.

Die Botschaft laute: «Dein Bruder ist hier. Du bist wie ein Flugdrache an der Schnur. Die Grenzen deiner freien Meinungsäusserung sind in den Händen anderer», formuliert Hu Jia die Drohung dahinter.

Liu Xiaobos langer gewaltloser Kampf

Box aufklappen Box zuklappen

Liu Xiaobo war 2009 wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Er war 2008 Mitverfasser der «Charta 08», in der ein «freier, demokratischer und verfassungsmässiger Staat» gefordert wird. Das Nobelkomitee verlieh Liu Xiaobo 2010 als erstem Chinesen den Friedensnobelpreis für «seinen langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte in China».

Seine Freunden erinnern sich an Liu Xiaobo als grossen Vordenker und sanften Vorkämpfer für Demokratie. Der bekannte Bürgerrechtler Hu Jia lobt dessen Mut und Menschlichkeit. Freunde wie Liao Yiwu sowie der Sänger und frühere ostdeutsche Dissident Wolf Biermann und die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller organisieren am Todestag am Freitag eine Gedenkfeier in der Berliner Gethsemane-Kirche, um an das Leben und Werk Liu Xiaobos zu erinnern.

Ob die Künstlerin tatsächlich politisch aktiv werden will, ist allerdings völlig offen – nicht nur wegen ihres Gesundheitszustandes, sondern auch, weil Liu Xia nie als Bürgerrechtlerin aktiv war.

Durch ihre Heirat mit Liu Xiaobo geriet sie ins Fadenkreuz der Staatssicherheit. «Liu Xiaobo zu lieben, ist ein Verbrechen», hatte Liu Xia jüngst noch unter Tränen in einem Telefonat mit dem im Exil in Berlin lebenden Schriftsteller Liao Yiwu gesagt. Ihre Behandlung empfand die 57-Jährige als «lebenslange Haft».

Schlimme Depressionen

Nicht nur Freunde, sondern auch Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen waren in «tiefer Sorge» über ihren psychischen Zustand. «Wir sind beunruhigt von Berichten über die Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Liu Xia», hatten die UNO-Ermittler im Kampf gegen zwangsweises Verschwinden und willkürliche Inhaftierungen sowie der Sonderberichterstatter zur Lage von Menschenrechtsverteidigern erst vergangene Woche in Genf mitgeteilt.

Meistgelesene Artikel