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Nach Amnesty-Bericht Wie steht es um die Todesstrafe in China?

Im letzten Jahr sind weltweit über drei Menschen pro Tag hingerichtet worden. Das sind 1153 Menschen, schreibt die Menschenrechts­organisation Amnesty International in ihrem Bericht. Demnach sei dies der höchste Wert seit fast zehn Jahren.

Von allen registrierten Hinrichtungen wurden am meisten in Iran vollstreckt. Amnesty International geht aber davon aus, dass China alleine Tausende Menschen pro Jahr hinrichtet. China macht aber dazu keine Angaben. Wie viele Hinrichtungen sind es nun? SRF hat mit dem Journalisten Fabian Kretschmer in Peking gesprochen.

Fabian Kretschmer

Journalist

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Der Journalist und Autor Fabian Kretschmer berichtet aus Peking für diverse deutschsprachige Medien, darunter die österreichische «Die Presse» sowie die Berliner «Tageszeitung».

SRF News: Was weiss man über Hinrichtungen in China?

Fabian Kretschmer: Tatsächlich relativ wenig. Die Anzahl der Hinrichtungen ist nicht bekannt. Das hat damit zu tun, dass es in China offiziell ein Staatsgeheimnis ist. Man weiss nur über Hinrichtungen, wenn die Kommunistische Partei diese auch wirklich öffentlich machen will. Aber es ist problematisch, wenn Amnesty sagt, dass in China mehrere 1000 Hinrichtungen pro Jahr stattfinden. Denn wir wissen es nicht.

Die Zahl ist sicherlich deutlich höher als in allen anderen Ländern.

Es gibt Schätzungen auch von Exil-NGOs – also von Chinesen, die im Ausland sind –, die reichen von 2000 bis 8000 Hinrichtungen pro Jahr, wobei letzteres ziemlich aus der Luft gegriffen ist. Aber die Zahl ist sicherlich deutlich höher als in allen anderen Ländern.

Hohe Zustimmung in der Bevölkerung

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Polizisten nehmen Mann in Uniformen fest.
Legende: Ein myanmarischer Drogenboss, der in China die Giftspritze erhielt. (Bild von 2013) AP Photo/Xinhua, Wang Shen

In China habe die Todesstrafe hohe Zustimmungswerte, sagt Journalist Kretschmer. Über 60 Prozent der chinesischen Bevölkerung befürworten sie gemäss einer Umfrage des deutschen Max-Planck-Instituts von 2008. Es werde keine öffentliche, kritische Debatte darüber geführt. In der Bevölkerung herrsche das Gefühl, wichtigere Probleme zu haben.

Einer der Gründe für die hohe Zustimmung liegt laut Kretschmer in der Geschichte Chinas. Die Todesstrafe habe im Land immer eine Rolle gespielt. Auch während der Regierungszeit der Kommunistischen Partei unter Mao Zedong in den 60er- und 70er-Jahren habe es «extrem viele Hinrichtungen» gegeben, so der Journalist.

Was für ein Signal vermittelt die Regierung mit diesen Hinrichtungen?

Grundsätzlich sieht sich die Kommunistische Partei als Erzieher der Gesellschaft und ist bemüht, eine gewisse gesellschaftliche Stabilität zu wahren. In der Rhetorik der Kommunistischen Partei heisst es immer, dass sich Verbrechen wie ein Virus ausbreiten oder dass Kriminalität und schlechte Elemente in der Gesellschaft ausgerottet werden müsse. Also sehr martialisch. Dabei hat die Kommunistische Partei nur das Wohl des Kollektivs im Blick. Auf das Individuum legt sie keinen Wert. Gleichzeitig gibt es die Tradition, politische Feinde mit der Todesstrafe auszuschalten.

Bei welchem Verbrechen droht nach chinesischem Recht denn die Todesstrafe?

Dazu gibt es eine lange Liste. Das sind mehrere Dutzend Straftaten, die theoretisch mit einer Todesstrafe belegt werden können. Die klassischen Strafbestände sind schwere Mordfälle oder schwere Korruptionsfälle. Diese sind gerade in den letzten Jahren aktueller geworden, weil Staatschef Xi Jinping eine riesige Antikorruptionskampagne durchführt. Schliesslich gibt es auch politische Strafbestände wie Rebellion. Aber viele Todesstrafen, die ausgesprochen werden, können theoretisch auch in lebenslänglich umgemünzt werden.

Liste der Straftaten für Todesstrafe kleiner geworden

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Gemäss dem Journalisten Kretschmer ist die Liste der Straftaten für eine Hinrichtung mit der Zeit kürzer geworden. «Dahinter steht das Bemühen auch des Justizsystems, dass man perspektivisch keine Todesstrafe mehr aussprechen möchte.» Zwar seien diese Stimmen in den letzten Jahren zurückgegangen, sagt Kretschmer. Aber es sei ein genereller Trend zu beobachten, dass das Aussprechen von Todesstrafen kein Dauerzustand sein solle.

Welche Rechte gelten in China, wenn man vor Gericht steht oder verhaftet wird?

Zynisch gesagt sind es teils Schauprozesse. Zwar ähneln sie denjenigen in Europa. Allerdings haben die Anwälte kaum Macht. Die Gerichte sind nicht unabhängig und stehen unter der Fuchtel der Kommunistischen Partei. Kommt es zu einem Strafprozess, ist die Verurteilungsrate bei über 99 Prozent. Da sieht man schon, dass es eigentlich nicht so sehr darauf ankommt, kritisch hinzuschauen, ob der- oder diejenige wirklich schuldig ist.

Es gibt keine unabhängige Rechtsprechung in China.

Die Gerichte stehen unter Druck, besonders effizient zu sein, auch Härte zu zeigen. Und über all dem steht die Loyalität gegenüber der Kommunistischen Partei. Ich würde also sagen, dass es keine unabhängige Rechtsprechung in China gibt.

Das Gespräch führte Tim Eggimann.

SRF 4 News, 29.05.2024, 03:00 Uhr ; 

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