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Nach Anschlag auf Konzerthalle Rassistische Welle gegen Migranten nach Attentat in Moskau

Für den Anschlag auf ein Konzertlokal in Moskau gibt der Kreml weiter der Ukraine die Schuld, die mutmasslichen Täter stammen aus Tadschikistan. Das führte in Russland zu einer Welle rassistischer Übergriffe gegen Migrantinnen und Migranten aus zentralasiatischen Ländern.

Seit dem Terroranschlag vom März in Moskau mit über 140 Toten häufen sich rassistische Angriffe auf Geflüchtete oder Migrantinnen und Migranten in Russland. Dies bestätigt Swetlana Gannuschkina, die in Russland ein Hilfswerk betreibt, das sich seit Jahrzehnten im Bereich Migration einsetzt.

«Die Leute werden beleidigt oder auch tätlich angegriffen», sagt Gannuschkina gegenüber SRF. «Die Täter sind ganz normale Bürger, die glauben, sie könnten jetzt ihre Meinung sagen, im ÖV, auf der Strasse und so weiter.» Das Hilfswerk von Gannuschkina gilt in Russland offiziell als «ausländischer Agent», doch sie arbeitet in ihrer Heimat weiter, so gut es geht.

1000 Anfragen pro Tag zu Diskriminierungen

Auch bei Walentina Tschupik ist die Zahl der Meldungen explodiert. Sie stammt aus Usbekistan und bietet Menschen aus Zentralasien in Russland juristische Hilfe an. Heute lebt sie in den USA. «Nach dem Anschlag erhielten wir rund 1000 Anfragen pro Tag», so Tschupik. Üblicherweise seien es etwa 200 pro Tag.

Diskriminierung von Personen aus Zentralasien

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Diskriminierung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Zentralasien ist in Russland an der Tagesordnung. Wenn sie auf dem Bau oder als Putzkräfte arbeiten, haben sie meist tiefe Löhne. Oft werden sie von ihren Arbeitgebern ausgebeutet. Die Vorurteile gegen sie reichen bis in die Mitte der russischen Gesellschaft.

Ein Grossteil der jüngsten Übergriffe sei von den Sicherheitskräften verübt worden, sagen Tschupik und Gannuschkina. Betroffen seien alle, die nicht slawisch aussähen. Nach Terroranschlägen seien Verhaftungswellen gegen Minderheiten in Russland normal. «Die Behörden nutzen die Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung, um von ihrem Versagen abzulenken», so Gannuschkina.

Allerdings habe die Repression nach einigen Tagen nachgelassen. Die Sicherheitsbeamten hätten wohl in Eigenregie gehandelt. «Anders als in der Vergangenheit gab es diesmal offenbar keine Anweisung von oben, gegen Migranten vorzugehen», erklärt Gannuschkina weiter.

Russland ist auf Arbeiter aus Zentralasien angewiesen

Dass es diesmal nicht zu systematischen Angriffen gegen Eingewanderte kam, könnte einerseits daran liegen, dass der Kreml seinem Narrativ Nachdruck verleihen möchte, wonach die Ukraine hinter dem Anschlag stecke.

Andererseits braucht Russland die Arbeiter aus Zentralasien mehr denn je, denn es herrscht ein akuter Arbeitskräftemangel, und Migranten werden immer häufiger durch Betrug und leere Versprechen als Soldaten für die russische Armee rekrutiert. Russische Politiker haben zwar verschärfte Einwanderungsgesetze angekündigt, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen.

Tadschikistans Regierung sucht nach Alternativen

Die Folter der mutmasslichen Täter des Anschlags nach deren Festnahme hat viele Migrantinnen und Migranten in Russland zutiefst verunsichert. Viele verliessen jetzt das Land, sagt Swetlana Gannuschkina.

Die Rückreisebewegung dürfte kaum im Interesse der autoritären zentralasiatischen Regierungen sein, denn auch sie haben wirtschaftliche Interessen. Heimatüberweisungen machen in Tadschikistan rund ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts aus. Wenn Arbeitsmigranten nun zurückkehren, hätte dies verheerende Folgen für die Wirtschaft Tadschikistans, wo Armut und Korruption allgegenwärtig sind.

Folter der mutmasslichen Täter

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Bei der Festnahme der mutmasslichen Täter des Anschlags wurde einem der tadschikischen Männer ein Ohr abgeschnitten, anderen wurden Elektroschocks verabreicht. Die Einsatzkräfte stellten Bilder davon ins Netz.

Tadschikistans Regierung sucht nun nach Alternativen und verhandelt mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar, um tadschikische Arbeiter dorthin zu schicken. Die einfachen Migrantinnen und Migranten bleiben ein Spielball der Regimes.

Echo der Zeit, 20.04.2024, 18:00 Uhr

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