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Nach Aufstand in Russland Franzen zu Putin-Rede: «Trotzig, mit relativ wenig Newsgehalt»

Der russische Präsident hat sich erstmals nach Beendigung des Aufstands der Wagner-Truppen in einer Rede an die Nation gewandt. Was diese beinhaltete, ordnet Russland-Kenner Christof Franzen aus Moskau ein.

Christof Franzen

SRF-Sonderkorrespondent

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Christof Franzen ist Redaktor für Dokumentarfilme und Reportagen. Er arbeitet seit 2003 für SRF und kehrte 2018 nach 13 Jahren als Russland-Korrespondent in die Schweiz zurück. Seither reiste er für verschiedene Produktionen immer wieder nach Russland.

SRF News: Wie beurteilen Sie die Rede Putins?

Christof Franzen: Es war eine teilweise trotzige und zornige Rede mit relativ wenig Newsgehalt. Er hat sich nochmals bei den patriotischen Menschen und den Eliten in Russland bedankt, die zusammengestanden seien. Und er hat noch einmal in heftigsten Worten die Organisatoren des Aufstands scharf verurteilt – ohne allerdings Jewgeni Prigoschin wörtlich zu nennen –, die vom Ausland unterstützt worden seien.

Das nationalistisch-imperialistische Lager hat sich heute sehr enttäuscht von der Rede Putins gezeigt.

Was er bestätigt hat, ist das Schicksal der Wagner-Truppen. Putin sagte, sie hätten Heldenhaftes vollbracht in diesem Krieg und er hat gesagt, wer nach Belarus wolle, der könne das wie versprochen. Wer heim zu den Familien möchte, der könne das auch. Wer weiterkämpfen möchte, auch der könne das, müsse aber einen Vertrag beim Verteidigungsministerium unterschreiben.

Putin mit wütender Miene.
Legende: Die Rede Putins war laut Franzen trotzig und hatte wenig Neues. Sputnik/Gavriil Grigorov/Kremlin via REUTERS

Im Moment findet noch eine Sitzung des Sicherheitsrates statt, wieKremlsprecher Peskow sagte. Vielleicht gibt es dort auch Entscheidungen, was das Verteidigungsministerium betrifft. Ob es allenfalls dort irgendwelche Wechsel gibt. Weil das ist genau das, was man im nationalistisch-imperialistischen Lager verlangt hat. Und diese Kreise haben sich heute sehr enttäuscht gezeigt von der Rede Wladimir Putins.

Auch Prigoschin hat sich heute zu Wort gemeldet. Er sagte in seiner Audiobotschaft, dass er nicht in Richtung Moskau marschiert sei, um die Regierung zu stürzen. Was lesen Sie aus seinem Auftritt?

Ich nehme ihm ab, wenn er das so sagt. Er hat schon gemerkt, dass er weder das Volk noch die Eliten auf seiner Seite hat. Es war schlussendlich die Tat eines Hasardeurs, der versucht hat, das Beste für sich und seine Truppe herauszuholen. Sei es mehr Macht, mehr Einfluss. Und er hat vielleicht auch den Zeitpunkt verfehlt. Es gibt durchaus Kritiker und Experten, die sagen, dass, wenn die Wirtschaft in Russland weiter bachab geht und wenn die russischen Truppen in der Ukraine entscheidende Niederlagen erleiden würden, es hier wirklich rumoren könnte. Dann könnten solche Aktionen auch zu Schlimmerem führen.

Es war schlussendlich die Tat eines Hasardeurs, der versucht hat, das Beste für sich und seine Truppe herauszuholen.

Die Wagner-Truppe wurde vor wenigen Tagen auf der Strasse gefeiert. Nun halten sie sich bedeckt. Wie werden heute Prigoschins Männer in der Bevölkerung beurteilt?

Das war ein grosser Schock für viele Menschen. Das haben mir auch verschiedene Kolleginnen und Kollegen gesagt, mit denen ich mich unterhalten habe. Sie hätten immer davon gehört, dass diese Wagner-Truppen so wichtig seien, Patrioten seien und dass sie eine entscheidende Rolle in diesem Krieg spielten. Und ausgerechnet die hätten sich jetzt gegen Putin gewandt. Das haben viele nicht ertragen.

Es gibt aber auch Politikerinnen und Politiker, die sagen, diese Truppen müssten bestehen bleiben. Sie hätten eine entscheidende Rolle gespielt, auf so etwas könne die russische Armee nicht verzichten. Andere wiederum sagen, momentan brauche es mehr Defensivarbeiten. Und da würden diese Truppen nicht gebraucht.

Das Gespräch führte Urs Gredig.

10vor10, 26.06.2023, 21:50 Uhr ; 

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