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Nach Überquerung des Dnipro «Die Frühjahrsoffensive birgt ein grosses Risiko»

Am Wochenende konnten ukrainische Truppen einen strategischen Erfolg verbuchen. Im Süden bei Cherson gelang ihnen die Überquerung des Dnipro. Der Fluss ist strategisch wichtig; der Start der Frühjahrsoffensive ist das allerdings noch nicht. Mauro Mantovani lehrt an der Militärakademie der ETH und erklärt, weshalb.

Mauro Mantovani

Sicherheitsexperte MILAK/ETH

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Der promovierte Historiker ist seit 2009 Dozent für Strategische Studien an der Militärakademie an der ETH. Er ist durch eine Reihe von Publikationen zur schweizerischen Sicherheitspolitik hervorgetreten. Zuvor arbeitete er unter anderem im Auslandnachrichtendienst (SND).

SRF News: Wann beginnt die angekündigte Frühjahrsoffensive?

Mauro Mantovani: Sie wird sicher nicht vor Mitte Mai beginnen, denn die Schlammperiode dauert dieses Jahr länger als üblich. Es sind aktuell auch keine Massierungen von Truppen festzustellen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Offensive schliessen liessen. Das gilt für beide Seiten. Aber der politische Druck auf die Ukraine steigt, diese lange angekündigte Offensive durchzuführen. Sie birgt aber ein grosses Risiko zu scheitern. Angesichts der festgefahrenen Fronten.

Man kommt also nicht vorwärts?

Ja, das ist so. Das Gelände ist aufgeweicht, die Strassen sind schwer befahrbar. Es gibt am Ostufer des Dnipro sowieso eine schlechte Erschliessung. Deshalb ist nicht anzunehmen, dass von dort aus oder auf der gesamten Länge der Front nun in den nächsten paar Wochen wirklich raumgreifende Vorstösse vorgenommen werden können.

Wenn nicht der Start der Offensive, was bedeutet die Überquerung des Dnipro?

Es waren vielleicht mehrere Landungen ukrainischer Kräfte am Ostufer des Dnipro. Es ging wohl aber eher um Aufklärung.

Vielleicht ging es um die Infiltration von Soldaten, die sich mit Widerstandskämpfern vereinigen sollen.

Vielleicht ging es auch um die Infiltration von Soldaten, die sich mit Widerstandskämpfern in den besetzten Gebieten vereinigen sollen. Jedenfalls aber haben die Ukrainer keinen permanenten Brückenkopf errichtet.

Ist man überhaupt bereit für eine Offensive?

Insgesamt gesehen wohl nicht, wenn man sich die Informationen aus dem Datenleck in den USA anschaut. Die geheimen Dokumente haben beispielsweise bestätigt, dass die Luftabwehr der Ukraine überfordert ist und dass ihre Munitionsreserven zur Neige gehen. Auch hat die Öffentlichkeit mehr über bereits gelieferte Waffen und über Standorte der ukrainischen Armee erfahren, auch über Standorte der russischen Armee.

Das Pentagon gibt der Offensive nur wenig Chancen.

Das sind natürlich sensitive Informationen, gerade im Hinblick auf die erwartete Frühjahrsoffensive. Dieser wiederum gibt das Pentagon aber nur wenig Chancen, weil man davon ausgeht, dass die russische Luftüberlegenheit im Süden zunehmen wird.

Wie sieht es aktuell mit der Truppenabnutzung aus?

Die Verluste an Menschen und Material sind ein streng gehütetes Geheimnis auf beiden Seiten. Die Schätzungen gehen weit auseinander. Wir wissen nicht zuverlässig, wie hoch die Lagerbestände sind, was die russische Rüstungsindustrie in den nächsten Monaten produzieren wird und ob zum Beispiel noch Raketen aus Iran oder Nordkorea, vielleicht sogar aus China, eintreffen werden. Offensichtlich haben die Russen die grösseren Personalreserven. Dafür ist der Ausbildungsstand der ukrainischen Soldaten aufgrund ihrer taktischen und technischen Ausbildung im Westen höher und auch ihre Kampfmotivation.

Deshalb ist leider kein Ende dieses Krieges abzusehen.

Insgesamt kann man vielleicht sagen, dass die bisherigen Verluste an Soldaten auf beiden Seiten zusammen über 300'000 betragen, also Gefallene und Verwundete. Gleichzeitig kann man aber auch sagen, dass beide Seiten bereit sind, diese enormen und täglich steigenden Verluste in Kauf zu nehmen für Kriegsziele, die unverändert maximal sind. Deshalb ist leider kein Ende dieses Krieges abzusehen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 26.04.2023, 06:45 Uhr ; 

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