Worum geht es? Schweden ringt seit 20 Monaten darum, die nötigen Ratifizierungen aller Nato-Staaten zusammenzubekommen, um wie sein nordischer Nachbar Finnland in das Verteidigungsbündnis aufgenommen zu werden. 29 der 31 Alliierten haben dafür längst ihre Zustimmung gegeben, nur die Türkei und Ungarn nicht. Das türkische Parlament stimmte nun am Dienstagabend mit breiter Mehrheit für Schwedens Nato-Aufnahme . Nach dieser Zustimmung hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ebenfalls zugesagt, Schwedens Beitritt voranzutreiben.
Weshalb dauert die Zusage aus Ungarn so lange? Wann genau Ungarn dem Beitritt Schwedens offiziell zustimmt, ist unklar. «Das weiss nur Ungarns Regierungschef Viktor Orbán», erklärt SRF-Osteuropakorrespondentin Sarah Nowotny. «Das wird noch so lange dauern, wie es ihm passt – aus taktischen und anderen Gründen.» Dies könne in der nächsten Session des Parlaments geschehen oder auch noch zwei Jahren dauern. Viktor Orbán hat zwar diese Woche den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson zu Gesprächen eingeladen, aber Nowotny sieht darin vor allem eine Show. «Die ungarische Regierung sagt, es sei an Schweden, sich sozusagen um Ungarn zu bemühen – eine abenteuerliche Interpretation.» Denn eigentlich gehe es einfach darum, dass das Parlament von Ungarn diesen Nato-Beitritt endlich behandelt.
Wie glaubwürdig ist Orbáns Position? «Nicht sehr glaubwürdig», findet Osteuropakorrespondentin Nowotny. «Das sieht man schon an dieser Breite der Erklärungen: Zuerst hiess es, Ungarns Parlament habe keine Zeit, weil man sich um sich selbst kümmern müsse, weil man so viel zu tun habe, um der EU zu gefallen. Danach hat das Parlament aber komplizierteste Gesetze innerhalb von zwei Tagen verabschiedet – das ging dann. Später hiess es, Schweden habe Ungarn beleidigt und deshalb könne man sich nicht darum kümmern. Und jetzt heisst es, die ungarische Regierung könne da gar nichts machen, denn das sei alles die Verantwortung des Parlaments.» Letzteres eine interessante Begründung, denn: «Man kann schon sagen, dass in Ungarn die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung zumindest sehr aufgeweicht ist. Oder anders gesagt: Wenn die Regierung etwas will, dann macht es das Parlament auch.»
Wie ist die Stimmung in Schweden? «Ich würde sagen, verhalten ungehalten», meint Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann. «Einerseits zeigen sich Kommentatoren wirklich offen empört, dass nun auch noch Ungarn diese Geschichte herauszögert. Und andererseits ist es sich die politische Führung wirklich gewohnt, dass man eigentlich fast einem Schauspiel beiwohnt.» Von einer Achterbahnfahrt oder einem Leiterlispiel sei die Rede. Doch die Schwedinnen und Schweden hätten daraus gelernt, erklärt Kaufmann: «Man bewahrt einen kühlen Kopf.»