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Mann in Anzug, Porträt-Aufnahme.
Legende: Fredy Gsteiger befasst sich bei Radio SRF mit Sicherheitspolitik, er berichtet regelmässig von internationalen Treffen. srf

Nachwehen des G20-Gipfels «Wer auf einer schwarzen Liste landet, kommt kaum mehr runter»

Der Entzug von Journalisten-Akkreditierungen am G-20-Gipfel sorgt für heftige Kritik. Fredy Gsteiger weiss, wieso.

Beim G20-Gipfel in Hamburg wurde 32 Journalisten nachträglich die Akkreditierung entzogen. Ihre Namen hätten auf einer schwarzen Liste gestanden, weil sie vom deutschen Innenministerium pauschal als Sicherheitsrisiko stigmatisiert worden seien, schreibt ARDonline. Datenschutz-Experten reagieren entsetzt und werfen der deutschen Regierung Rechtsverstösse und unerlaubte Eingriffe in die Grundrechte vor.

SRF News: Wie gravierend ist es, wenn Journalisten an solchen Anlässen die Akkreditierung entzogen wird?

Fredy Gsteiger: Das ist zumindest ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Zwar kommt es vor, dass gewisse Akkreditierungen im Vorfeld solcher Anlässe gar nicht erst erteilt werden. Dann wissen die betreffenden Journalisten, dass sie nicht zugelassen sind. Dass eine zunächst erteilte Akkreditierung aber später wieder entzogen wird, ist nicht der Normalfall – vor allem wenn dies aus nicht genannten Gründen geschieht. Zwar kann man sich durchaus Gründe für einen Entzug der Akkreditierung vorstellen – etwa wenn sich ein Journalist nicht korrekt verhält und beispielsweise Abschrankungen übersteigt oder sich einem Gipfelteilnehmer zu sehr nähert. Dann aber liegen nachvollziehbare Gründe für den Entzug der Akkreditierung vor, was in Hamburg nicht der Fall war.

Das deutsche Bundeskriminalamt und das Bundespresseamt schweigen sich zu den Gründen aus.

Die betroffenen Journalisten wissen offenbar nicht, warum sie zum Sicherheitsrisiko erklärt worden sind. Was könnten hierfür die Gründe sein?

Es wäre reine Spekulation, dafür mögliche Gründe zu nennen, zumal sich das deutsche Bundeskriminalamt und das Bundespresseamt dazu ausschweigen. Auch aufgrund der Namen von einigen Journalisten, die auf dieser schwarzen Liste figurieren, sind keine möglichen Gründe ersichtlich. Betroffen war etwa ein Vertreter der Regionalzeitung «Weser Kurier», einer der Foto-Agentur ActionPress oder einer von SpiegelOnline. Sie alle sind nicht als Krawall-Medien bekannt oder dafür, dass sie den gewalttätigen Demonstranten von Hamburg nahe stehen.

Laut ARDonline könnten die Betroffenen vom türkischen Geheimdienst angeschwärzt worden sein. Falls das stimmt: Was würde das bedeuten?

Falls das stimmt, wäre dies tatsächlich höchst alarmierend. Der Verdacht entstand, weil zwei der Journalisten, denen die Akkreditierung in Hamburg entzogen wurde, vor Monaten in der Türkei an der Grenze zu Syrien recherchiert und von den dortigen Kämpfen berichtet hatten. Dabei wurden sie von türkischen Polizisten verhaftet und kurzzeitig inhaftiert. Wenn nun die türkische Regierung tatsächlich eine Art Veto-Recht darüber hätte, wer von einem G20-Gipfel in Hamburg berichten darf und wer nicht, wäre das sehr befremdlich – zumal die Türkei kein Rechtsstaat und nur noch in sehr beschränktem Masse ein demokratischer Staat ist.

Welche beruflichen Folgen könnte es für die betroffenen Journalisten bedeuten, in Hamburg auf der schwarzen Liste gelandet zu sein?

Das kann durchaus eine gravierende Einschränkung der beruflichen Möglichkeiten bedeuten. Wenn beispielsweise ein Fotograf, der regelmässig über solche Treffen berichtet, auf der schwarzen Liste landet, dann könnte er möglicherweise auch bei künftigen ähnlichen Anlässen nicht mehr zugelassen werden. Das Problem mit schwarzen Listen ist grundsätzlich, dass davon kaum mehr runterkommt. Das hat man auch bei den Terrorlisten der UNO im Nachgang zu 9/11 gesehen. Viele völlig unschuldige Leute waren dort aufgeführt und sie mussten jahrelang dafür kämpfen, dass sie wieder von der Liste genommen wurden. Deshalb kritisieren die deutschen Journalistenverbände und die Datenschützer das Vorgehen der Behörden im Fall Hamburg nun derart heftig. In ihren Augen gab es für die Listen keine Rechtsgrundlage, zudem war die Liste bei der Eintrittskontrolle zum Pressebereich für Dritte praktisch offen einsehbar. Es gibt also eine Art Stigmatisierung der betroffenen Journalisten – das ist ein Problem.

Das Gespräch führte Susanne Stöckl.

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