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Naher Osten Friedens-Schalmeien am Persischen Golf

Die Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien sprechen wieder miteinander. Tauschen sie demnächst auch Botschafter aus?

Unvergessen die Szene: Ein wippender Donald Trump mit gezücktem saudischem Schwert beim rituellen Tanz in Riad: Die erste Auslandreise führte den neuen US-Präsidenten im Mai 2017 zu König Salman und dessen Sohn, Mohammed bin Salman. Trump nahm wenig später Iran in den Würgegriff drastischer Sanktionen.

Den saudischen Thronfolger bin Salman deckte er auch nach der grausamen Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi noch. Anders als zu Zeiten von Vorgänger Obama fühlte sich das Königshaus in Riad von Trump nicht mehr unter Wert behandelt.

Der Schock

Doch wie wenig Verlass auch auf den neuen US-Präsidenten war, zeigte sich zwei Jahre später, als mutmasslich iranische Raketen auf einen Schlag die halbe saudische Ölproduktion zerstörten. Nach den sogenannten «Aramco»-Anschlägen mobilisierte Trump keine Soldaten und tat auch sonst wenig, um der wehrlosen Führungsmacht am Golf beizustehen.

«Die Saudis realisierten, dass der amerikanische Schutz nicht bedingungslos ist, egal wer Präsident ist», erklärt der Niederländer Joost Hiltermann, Regionaldirektor der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group (ICG).

Die Saudis realisierten, dass der amerikanische Schutz nicht bedingungslos ist, egal wer Präsident ist.
Autor: Joost Hiltermann Regionaldirektor, International Crisis Group ICG

Ein Gefühl, das sich mit dem Amtsantritt von Präsident Biden nur noch verstärkt habe: «All das führte die Saudis zur Einsicht, dass sie direkt auf Iran zugehen müssen.»

Der Wendepunkt

Mohammed bin Salman, der im Jemen vor sechs Jahren einen Bombenkrieg begann und den iranischen Revolutionsführer Khamenei mit Hitler verglich, ist neuerdings ganz handzahm, wenn er vom grossen Rivalen am Persischen Golf spricht: Natürlich wolle man hervorragende Beziehungen zum Nachbarn und wünsche Iran das Beste.

Mohammed bin Salman
Legende: Der saudische Königssohn Mohammend bin Salman begann im Nachbarland Jemen einen verheerenden Bombenkrieg. Sechs Jahre später sind die Houthi-Rebellen, die bin Salman in wenigen Wochen besiegt haben wollte, stärker als zuvor. Keystone

Sein draufgängerischer Kurs in Jemen hat dem Königssohn innenpolitisch zwar genutzt. «Er konnte so seine Vormacht am saudischen Hof etablieren», sagt Hiltermann. Aber militärisch sei der Jemenkrieg ein Desaster für Staatskasse und Ruf. Riad suche deshalb nach einem gesichtswahrenden Ausstieg. Auch darum gehe es bei den Kontakten mit Iran, welches in Jemen die Gegenseite, die Houthi-Rebellen, unterstützt.

Was für ein Interesse aber kann Iran an Entspannung haben? Vom Jemen über Irak bis Libanon unterstützt das Regime in Teheran schiitische Milizen und rechtfertigt diese Mobilisierung mit einer angeblich dauerhaften Bedrohungslage: In Palästina und der ganzen Region sei eine neokolonialistische Verschwörung des Westens im Gang, hinter der die USA, Israel und deren Verbündete am Golf steckten.

Der Störenfried

Profitieren die Hardliner in Teheran da nicht von einem Klima der Konfrontation? Ja, aber nicht zwingend mit den Saudis, sagt Hiltermann. Denn für Iran sei Israel der tatsächliche Feind: «Saudi-Arabien wird in Teheran eher als eine Art Störenfried wahrgenommen.» Diesen aus der festen Bindung an die USA herauszulösen und in den Konfliktgebieten der Region zu «neutralisieren», sei ein interessantes Ziel für Iran.

Saudi-Arabien wird in Teheran eher als eine Art Störenfried wahrgenommen.
Autor: Joost Hiltermann Regionaldirektor, International Crisis Group ICG

Auch der anstehende Regierungswechsel in Teheran dürfte an der Dialogbereitschaft nichts ändern. Laut einer iranischen Online-Zeitung könnte bei der Amtseinsetzung von Ebrahim Raisi nächste Woche sogar schon ein offizieller Vertreter Saudi-Arabiens geladen sein. Und selbst die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen könnte kurz bevorstehen.

Echo der Zeit, 29.07.2021, 18:00 Uhr

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