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Ein Schweizer wacht über den Waffenstillstand in Nahost
Aus Echo der Zeit vom 23.12.2021. Bild: keystone
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Nahostkonflikt Erster Schweizer an der Spitze einer UNO-Friedensoperation

Erstmals übernimmt ein Schweizer das Kommando über eine UNO-Friedensoperation. Patrick Gauchat leitet die Untso, die UNO-Organisation zur Überwachung des Waffenstillstands im Nahen Osten.

Die Untso ist die älteste Friedensoperation der UNO, sie wurde 1948 durch den UNO-Sicherheitsrat ins Leben gerufen. Wegen des Krieges in Syrien, den Spannungen im Libanon und des Konflikts zwischen Israel und Palästina ist sie wieder wichtiger, aber auch heikler geworden. Bis im November war Patrick Gauchat in der demilitarisierten Zone an der Grenze zwischen Süd- und Nordkorea.

Er leitete dort die Schweizer Mission der neutralen Überwachungskommission zwischen den beiden Staaten. Kurz vor Weihnachten übernahm er nun als erster Schweizer das Kommando über die UNO-Friedensmission Untso, mit Sitz in Jerusalem und Zweigstellen im Libanon, in Syrien, Jordanien, Ägypten und Israel.

50 Todesopfer seit Gründung

Er ist damit der Chef über gut 300 Leute. Die Hälfte davon sind Militärbeobachter aus mehr als einem Dutzend Länder, darunter auch Schweizer. Er war nach seiner Ankunft, so erzählt er, beeindruckt von der Professionalität seiner Unterstellten. Und auch von ihrer Anpassungsfähigkeit; das sei entscheidend.

Patrick Gauchat

Patrick Gauchat

Divisionär

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Patrick Gauchat wurde von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres zum Chef der UNO-Friedensmission zur Überwachung des Waffenstillstands im Nahen Osten (Untso) ernannt. Der 53-Jährige, der in der Schweizer Armee den Rang eines Divisonärs bekleidet, verfügt über vielfältige Erfahrungen in internationalen Friedensoperationen: Nach einer Karriere bei der SBB diente er bei der Kfor im Kosovo. Später war er für die UNO auf dem Golan, dann als Koordinator der UNO-Blauhelm-Operationen in New York und zuletzt bei der Waffenstillstandsmission in Korea.

Denn die Untso müsse sich in einer äusserst unruhigen Region wie dem Nahen Osten ständig neu aufstellen, Leute verschieben, neue Aufgaben übernehmen, sich anders organisieren, sagt Gauchat.

Seit es die Untso gibt, hat sie 50 Todesopfer in den eigenen Reihen zu beklagen. Zwar gab es ruhigere Phasen, doch in den letzten Jahren sei es in einigen Operationszonen wieder gefährlicher geworden. Zum Beispiel auf dem Golan: Die UNO-Blauhelmtruppe Undof überwacht dort den Waffenstillstand zwischen Syrien und Israel und wird von der Untso mit Militärbeobachtern unterstützt.

Keine Ruhe mehr auf dem Golan

Jahrzehntelang galt Undof als «Club Méditerannée» unter den Friedensoperationen. Doch inzwischen schwappt der syrische Bürgerkrieg immer mal wieder über auf den Golan. Mit der Ruhe dort ist es vorbei, weshalb es auch bei der Untso zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen braucht. Gerade dann, wenn es gefährlich werde, dürfe die UNO ihre Leute nicht abziehen, findet Gauchat.

Die Golanhöhen: Landstrich ohne Frieden

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Karte Naher Osten, Golanhöhen markiert

Während des Sechs-Tage-Kriegs von 1967 besetzte Israel die Golanhöhen – ein hügeliges, dünnbesiedeltes Gebiet – von Syrien. 1973 griffen Ägypten und Syrien Israel an. Israel schlug zurück und erweiterte im Jom-Kippurkrieg sein Gebiet auf dem Golan. Die Annexionen und Besiedlung durch Israel wurden von den meisten Staaten aber nicht anerkannt und von der UNO verurteilt. Syrien beansprucht das Gebiet nach wie vor komplett.

Offiziell Frieden geschlossen haben die beiden Nachbarn nie. Seit 1974 besteht aber ein Waffenstillstandsabkommen und eine schmale Pufferzone. Beide werden seither von der UNO überwacht — einerseits von den unbewaffneten Militärbeobachtern der Untso (United Nations Truce Supervision Organisation), anderseits von den bewaffneten Friedenstruppen der Undof (UN Disengagement Observer Force).

Die UNO-Präsenz zeige der betroffenen Bevölkerung, dass die internationale Gemeinschaft sich um sie kümmert. Und sie sorgt für eine neutrale Beurteilung der Lage, ist also oft die einzige unparteiische Informationsquelle. Gauchat ist überzeugt, dass seine Schweizer Nationalität für seine Ernennung kein Nachteil war.

Im Gegenteil. Die Schweiz habe keine koloniale Vergangenheit. Sie pflege mit allen Parteien im Nahen Osten gute Kontakte und niemand unterstelle ihr, nationale Eigeninteressen zu verfolgen.

Keine politische Lösung in Sicht

Nun ist Gauchat also in Jerusalem, wo die Untso seit mehr als sieben Jahrzehnten aktiv ist. Eigentlich sollten UNO-Friedensmissionen nicht ewig dauern, sondern nur solange, bis die Diplomatie einen Frieden ausgehandelt hat. Solche positiven Beispiele gibt es, etwa die 2017 an der Elfenbeiküste beendete Blauhelm-Operation.

Etliche andere hingegen dauern viel länger. Die Monusco in Kongo-Kinshasa besteht seit zwei Jahrzehnten, die Unficyp auf Zypern seit 1967 und die Untso, die älteste, seit 1948. Gerade bei den Operationen im Nahen Osten sei, so Gauchat, eine politische Lösung einfach nicht in Sicht. Die UNO müsse also präsent bleiben. Dies allein schon, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Selbst wenn die Missionen ihr eigentliches Ziel verfehlen, nämlich die Rahmenbedingungen für einen Friedensschluss zu schaffen, so ermöglichen sie doch Pufferzonen, bauen Brücken zwischen Feinden und verhindern, dass Konflikte gänzlich aus dem Ruder laufen.

Echo der Zeit, 23.12.2021, 18:00 Uhr

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