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Nationalfeiertag in Kroatien Rechtsextreme Parolen bei Gedenken an «Operation Sturm»

Am kroatischen Nationalfeiertag werden faschistische Parolen skandiert. Kritik an den Vorgängen ist nicht erwünscht.

Dieser Tage gedenkt Kroatien der Befreiung der Krajina. Vor dreissig Jahren vertrieb die kroatische Armee serbische Separatisten aus dem Gebiet der Krajina, die dort einen serbischen Satellitenstaat gegründet hatten. Dabei besetzten sie rund ein Drittel des kroatischen Staatsgebiets. Zehntausende kroatische Serbinnen und Serben wurden vertrieben.

Dass Kroatien die Rückeroberung feiert, ist das eine. Die Art und Weise aber etwas anderes. So wurden bei den Feiern und Paraden rechtsextreme Parolen geschrien, die offenbar auf viel positive Resonanz bei der Bevölkerung gestossen sind.

Folge von politischem Rechtsruck?

Janis Fahrländer, Südosteuropa-Korrespondent von SRF, sieht darin eine besorgniserregende Entwicklung: «Wir erleben in diesem Sommer, wie extremistische und faschistische Parolen im gesellschaftlichen Mainstream mehrheitlich unwidersprochen wiedergegeben werden.»

Wie unkritisch viele Kroatinnen und Kroaten mit der belasteten Geschichte umgehen, zeigen diverse Vorfälle der letzten Tage und Wochen. Am offiziellen Gedenktag vom Dienstag wurde offen der faschistische Gruss der Ustascha «Za dom spremni!» (kroatisch: «Für die Heimat bereit!») gerufen. Die Bewegung errichtete im Zweiten Weltkrieg eine Diktatur in Kroatien und beteiligte sich auch am Holocaust.

«Operation Sturm»: Heldenmythos und Tragödie

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Serben flüchten im August 1995 vor kroatischen Offensive.
Legende: Mehr als 1000 serbische Zivilisten wurden bei Oluja getötet, rund 200'000 Menschen (wie hier im Bild) sind damals geflohen. Getty Images/Corbis/Peter Turnley (Archiv)

Am Dienstag fand in Kroatien die Zeremonie zum Nationalfeiertag statt. Dieser geht auf die «Operation Oluja» (deutsch: «Sturm») zurück, in der die kroatische Armee 1995 die serbische Miliz im Land besiegte und damit den Kroatien-Krieg beendete. Die Kroaten sehen in Oluja einen heldenhaften Sieg – die Serben im Land eine Tragödie. Mehr als 1000 serbische Zivilisten wurden bei Oluja getötet, rund 200'000 Menschen sind damals geflohen.

Anfang Juli strömten in Zagreb Hunderttausende Menschen an ein Konzert des Faschismus-Verharmlosers «Thompson». «Diese Woche trat der rechtsextreme Rocker erneut auf. Am Rande seines Konzerts wurde ein Lied gesungen, in dem Kriegsverbrechen in einem Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg verherrlicht werden», sagt Fahrländer.  

Wer solche Tendenzen hinterfrage oder eine kritische Auseinandersetzung mit der «Operation Sturm» einfordere, werde in Kroatien angefeindet, berichtet der Korrespondent. «Für viele ist das eine direkte Folge des politischen Rechtsruckes bei den Wahlen im letzten Jahr.» Seither regiert die konservative HDZ in einer Koalition mit der rechtsextremen Heimatpartei.

Gedenken an die «Operation Sturm» am 5. August 2021.
Legende: Alljährlich wird auf der Burgruine oberhalb des Städtchens Knin der «Operation Oluja» gedacht, die kroatische Truppen vom 4. bis 7. August 1995 durchführten. Getty Images/Anadolu/Stringer

Grundsätzlich sieht Fahrländer durchaus Parallelen zu anderen europäischen Ländern, in denen rechtradikales Gedankengut gerade bei jungen Männern auf dem Vormarsch ist. Kroatien unterscheide sich aber insofern, als die Normalisierung auch vonseiten der Politik komme.

Ausdruck davon: Eigentlich sind Ustascha-Symbole in Kroatien verboten. Das hinderte zwei Abgeordnete der Heimatpartei zuletzt aber nicht daran, im Parlament den Ustascha-Gruss auszurufen – ohne Konsequenzen. Ein Minister der Heimatpartei war auch an dem umstrittenen Thompson-Konzert zugegen.

Feindseligkeiten gegen serbische Minderheit

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Militärparade in Zagreb.
Legende: Dass der Nationalfeiertag mit einer der grössten Militärparade in der Geschichte des Landes verbunden wurde, empfinden viele serbische Kroatinnen und Kroaten als Provokation. Getty Images/Anadolu/Stipe Majic

Der Stimmungswandel in der kroatischen Gesellschaft wirkt sich auch auf die serbische Minderheit im Land aus. Einerseits gerät sie politisch unter Druck. «Auf Drängen der Heimatpartei wurden die finanziellen Mittel für die Minderheit gekürzt», führt Korrespondent Fahrländer aus. «Gleichzeitig ist sie mit einer zunehmend feindlichen Stimmung konfrontiert.»

Im Nachbarland Serbien entwickelt sich die Gemengelage fast schon spiegelbildlich, wie Fahrländer ausführt. So gab es erst am vergangenen Wochenende eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der «Operation Sturm». «Dort war derselbe Nationalismus und Geschichtsrevisionismus anzutreffen wie in Kroatien – einfach aus serbischer Perspektive.»

Die kroatische Menschenrechtsbeauftragte Tena Šimonović kritisiert ebendiese Normalisierung und Glorifizierung faschistischer Parolen und Symbolik. Diese untergrabe die Rechtsstaatlichkeit in dem EU-Land und stelle die Republik Kroatien in eine historische Kontinuität zum Faschismus.

Auf die Kritik angesprochen, reagierte Regierungschef Andrej Plenković barsch. Er habe nicht vor, auf die Menschenrechtsbeauftragte zu hören und sich von den Vorgängen zu distanzieren. Für Fahrländer passt das ins Schema: «Plenković gibt sich gerne moderat und verzichtet auf explizit extremistische Äusserungen. Er verurteilt sie allerdings auch nicht.»

Rendez-vous, 08.08.2025, 12:30 Uhr ; 

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