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Nato-Gipfel in Brüssel Einer für alle, alle für Trump

Die Nato legt dem unberechenbaren US-Präsidenten ein berechenbares Programm vor. Eine Einschätzung von Fredy Gsteiger.

Heute beginnt der Nato-Gipfel in Brüssel. Doch bereits gestern war weitgehend klar, was beschlossen wird.

Denn offenkundig geht es darum, von diesem Gipfel ein Signal der Einigkeit, ja fast von familiärer Vertrautheit auszusenden. Deshalb wollte man keinesfalls riskieren, dass ungelöste Fragen auf den Tisch kommen, wenn der unberechenbare US-Präsident Donald Trump erstmals mit am Tisch sitzt. Man hat das Heikle also vorab aus dem Weg geräumt, um sich dem Zeremoniellen hinzugeben. Dies ist zumindest der Plan.

Von Zahlen und Zielen

Heikel war die Frage der Lastenverteilung. Da hat Trumps ruppige, fordernde Rhetorik bei den europäischen Nato-Ländern durchaus etwas bewirkt. Sie sehen ein, dass die USA bisher einen übergrossen Teil der Lasten für die gemeinsame Verteidigung geschultert haben. Und viele sind nun auch bereit, selber mehr beizutragen. Trump kann also einen Sieg nach Hause melden.

Allerdings: Zugleich wird das messbare Ziel, wonach jeder Nato-Staat mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in die Verteidigung stecken muss, aufgeweicht. Eine Rolle spielen soll künftig, wofür das Geld ausgegeben wird.

Fliesst es tatsächlich in die Erhöhung der Kampfkraft? Und ob ein Nato-Land bereit ist, seine militärischen Mittel auch für Nato-Einsätze zur Verfügung zu stellen. Denn im Grunde ist allen – ausser eventuell Trump – klar: Das Erreichen einer Prozentzahl ist nicht per se sinnvoll.

Hat das, was Donald Trump vermutlich morgen verspricht, auch übermorgen noch Gültigkeit?
Autor: Fredy Gsteiger Sicherheitspolitischer Korrespondent Radio SRF

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Durchgesetzt hat Trump, gemäss Nato-Quellen auch, dass sich die Militärallianz künftig formell an der Anti-IS-Allianz beteiligt. Bisher taten das etliche Nato-Länder individuell, zum Teil zwar nur in bescheidenem Mass. Die Nato selber stand aber abseits. Deutschland, Frankreich und andere Staaten hätten das am liebsten so belassen. Sie haben sich offenbar nicht durchgesetzt.

Vorteil eines direkten Nato-Engagements: Beim Kampf gegen die IS-Terroristen kann künftig die Nato-Kommandoinfrastruktur benützt werden. Die Koordination wird besser.

Risiko: Die Allianz wird immer stärker in den Syrien-Konflikt hineingezogen. Und das obschon Nato-Generalsekretär Stoltenberg beteuert: Kampfeinsätze sind nicht vorgesehen. Bloss: Gilt das auch noch in sechs Monaten oder in einem Jahr?

Auch in Afghanistan will die Nato wieder etwas stärker präsent sein. Auch dies ein Wunsch aus Washington. Die europäischen Partner müssen nun mitziehen und ihre Truppenpräsenz wieder hochfahren, wenn auch nur leicht. Die Frage hier: Kann die Nato mit einer erhöhten Präsenz in den nächsten Jahren erreichen, was ihr in über einem Jahrzehnt mit noch viel mehr Truppen in Afghanistan nicht gelang?

Im Gegenzug für ihr Einlenken erwarten die Europäer, dass sich Trump nun bedingungslos hinter die Nato und vor allem hinter ihre Kernaufgabe, die Bündnispflicht stellt: Einer für alle, alle für einen.

Vermutlich bekommen sie dieses Bekenntnis hier in Brüssel. Zumal Trumps wichtigste sicherheitspolitische Ratgeber, Verteidigungsminister James Mattis und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, als Nato-Anhänger gelten. Das Problem aber bleibt: Hat das, was Donald Trump vermutlich heute verspricht, auch morgen noch Gültigkeit?

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