In Israel sind die Corona-Neuinfektionen diese Woche stark angestiegen – am Donnerstag wurden erstmals seit Beginn der Pandemie an einem Tag mehr als 3000 registriert. Die Behörden kündigten deshalb einen teilweisen Lockdown ab kommender Woche an. Dieser gilt für rund 30 Städte und Gebiete. Schulen werden geschlossen, das öffentliche Leben wird heruntergefahren.
Kommt der Anstieg überraschend?
Der Anstieg der Infektionen sei kontinuierlich erfolgt, sagt die freie Journalistin Gisela Dachs in Tel Aviv. Seit Anfang Juni die raschen Lockerungen vom Mai aufgehoben worden seien, habe es der Corona-Beauftragte nicht geschafft, den Trend umzukehren: «Er hatte am Anfang auch zu wenig politische Unterstützung, und jetzt kämpfen alle.»
Im Fokus stehen gewisse Bevölkerungsgruppen wie arabische Israelis und Ultraorthodoxe. Sie gehören eher den ärmeren Schichten an. Sehr viele leben auf engem Raum. Grossfamilien spielen eine Rolle. Dazu kommt die religiöse Lebensweise, die das Gegenteil von Isolierung und Distanz ist.
Zudem seien Mitte August 17'000 nicht-israelische Religionsstudenten aus den USA ins Land gelassen worden, erinnert Dachs. Das alles habe jetzt wohl zum starken Anstieg der Infektionszahlen beigetragen.
Wie läuft der Teil-Lockdown ab?
Der jetzige partielle läuft nach dem Ampelsystem: Das Land wurde in 250 Städte aufgeteilt. Davon sollen jetzt deren 30 bezüglich Bewegungsfreiheit und Handel eingeschränkt werden.
Das Regime gilt ab Montag, was auch mit Blick auf jüdische Feiertage Probleme schaffen könnte, wie Dachs erklärt: «Das Neujahr vom 19. September ist ein grosses Thema, und es stellt sich die Frage, ob man – wie bereits bei den Pessach-Feiertagen – zu Hause sitzen soll.» Das sei in den religiösen Vierteln sehr umstritten.
Wie wird der Lockdown durchgesetzt?
In gewissen Teilen Israels hatte sich die Bevölkerung nicht mehr an die Empfehlungen der Behörden gehalten oder diese ignoriert. Es gab unter anderem grosse Hochzeitsfeste mit hunderten von Gästen. Im Frühjahr hatte das noch geklappt, als Israel sehr erfolgreich die erste Welle bekämpfte.
Nun werde es vermutlich erneut Strassensperren und Kontrollen geben, um den Teil-Lockdown durchzusetzen, sagt Dachs. «Das wird auch eine politische Herausforderung sein, denn die Corona-Massnahmen wurden in den letzten Wochen sehr stark politisiert.» So gebe es Streit, welche Gruppe wie stark von den Massnahmen betroffen sein soll. In Tel Aviv beispielsweise sollen die Bars geöffnet bleiben, aber Religionsschulen müssen schliessen.
Im Grunde sind es laut Dachs die gleichen Spannungen, die es in der israelischen Bevölkerung zwischen den verschiedenen Gruppierungen ohnehin schon gibt. Nun sei einfach Corona der Katalysator. Bei der arabischen Bevölkerung hätten die Corona-Massnahmen am Anfang allerdings eher zu einem grossen Zusammenhalt geführt, weil sehr viele arabische Israelis im Gesundheitswesen arbeiten.