Indonesien baut sich eine neue Hauptstadt, weil die bisherige Hauptstadt, Jakarta, im Meer zu versinken droht. Am Samstag wird Nusantara offiziell eingeweiht. Laut den Plänen der Regierung wird sie aber erst in 20 Jahren fertiggestellt. SRF-Südostasien-Korrespondent Martin Aldrovandi gibt Auskunft über das Riesenprojekt.
SRF News: Wie kommt es, dass am Samstag Nusantara eingeweiht wird, die Stadt aber erst in 20 Jahren fertiggestellt ist?
Martin Aldrovandi: Zunächst wird das Regierungsviertel fertiggestellt und der Rest soll nach und nach kommen. Wir sprechen von einem riesigen Gebiet. Es ist eine Fläche, fast so gross wie der Kanton Tessin. Und das mitten in einem Waldgebiet, das braucht seine Zeit.
Ein riesiges Projekt, das Sie vor kurzem selbst vor Ort besichtigen konnten. Was haben Sie dort für eine Stadt vorgefunden?
Ich habe vor allem ganz viele Baustellen gesehen und ganz viel gerodete Waldfläche. Es war sehr heiss, weil auch der Schatten fehlte. Von oben hat man ganz viele riesige Schneisen in diesem Wald gesehen. In der Stadt bin ich eigentlich nur auf das Rohgebäude des Regierungsviertels gestossen. Der Präsidentenpalast war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig. Der thront über den Ministerien, die den Palast flankieren. Das macht Eindruck. Es scheint als würde mit der grossen Kelle angerührt.
Indonesien baut eine neue Hauptstadt: Nusantara
Die jetzige Hauptstadt Jakarta mit 10 Millionen Einwohnern droht im Meer zu versinken. Wie dringend ist denn die Umsiedlung der Stadt?
Zunächst wird nur die Regierung umgesiedelt und auch bis 2045 sollen nur zwei Millionen Menschen in Nusantara leben. Wenn das wirklich so aufgeht, lebt noch immer nicht die gesamte Bevölkerung Jakartas in Nusantara. Das ist gar nicht möglich. Das werfen Kritikerinnen unter anderem den Plänen der Regierung auch vor. Es sei vielleicht nicht die beste Idee, eine neue Stadt mitten im Grünen zu erstellen, wenn dann die Menschen womöglich gar nicht dorthin ziehen wollen.
Was verspricht denn die indonesische Regierung der Bevölkerung für eine neue Hauptstadt?
Es gibt viele Videos und 3D-Modelle. Alles sieht sehr futuristisch aus. Am meisten haben mir die Flugtaxis imponiert, aber es ist unklar, ob das auch 2045 schon so weit sein wird. Die Stadt sieht auf den Modellen sehr grün aus und verspricht eine gute Luftqualität. Der Verkehr soll elektrisch sein. Es wird eine positive, nachhaltige Stadt versprochen.
Wie realistisch sind diese nachhaltigen Pläne der Regierung?
Die Pläne sind sicher ambitioniert. Ein grosses Problem ist dabei die Finanzierung. Der Bau der Stadt wird rund 30 Milliarden Franken kosten. Die Regierung hat versprochen, dass ein Grossteil von privaten Investoren kommen soll, doch die halten sich noch zurück. Zudem zeigen sich viele Leute skeptisch. Es fragt sich, wieso jetzt diese Planstadt dort entsteht und nicht einfach eine bestehende Stadt ausgebaut wird. Diese könnte dann von den Geldern der Zentralregierung profitieren.
Eine Stadt mit vielen Fragezeichen. Aber das Regierungsgebäude steht schon. Inwiefern spielen politische Entscheidungen mit?
Es ist sicher ein politischer Entscheid von Präsident Joko Widodo. Kritikerinnen und Kritiker sagen, er wolle sich mit dieser teuren Stadt selbst ein Denkmal setzen. Die Praktikabilität und die Fragen zur Umwelt hätten keine Priorität, da es nur um das Prestige des Präsidenten gehe.
Das Gespräch führte Tim Eggimann.