Hunderttausende Bauern gehen seit Tagen in Indiens Kornkammer-Staaten Punjab und Haryana auf die Strassen und versperren Hauptstrassen und Zugstrecken. Damit protestieren sie gegen neue Landwirtschaftsgesetze.
Dies, obwohl die Regierung von Premierminister Narendra Modi die neuen Gesetze als «Befreiungsschlag für die Bauern» angepriesen hatte. Ganesh Karnik von der Regierungspartei BJP sagt sogar, die Regierung sei den Bauern nach jahrzehntelanger Unterdrückung zu Hilfe geeilt.
Doch die Bauern wehren sich vehement gegen die vermeintliche Hilfe. Vijoo Krishnan von der grössten Bauerngewerkschaft des Landes sagt, die neuen Gesetze würden den Nahrungsmittelmultis Tür und Tor für grenzenlose Bereicherung öffnen.
Es geht um eine beschlossene Marktliberalisierung. In Indien werden Weizen und Reis in staatlich kontrollierten Grossmärkten gehandelt, sogenannten Mandis. Es gibt es über 6000 dieser Märkte, die enorme Profite abwerfen, auch wegen einer Steuer auf die Ware von bis zu acht Prozent.
Angst vor dem freien Markt und den Multis
Das sei die Unterjochung, von der die Regierung die Bauern befreien wolle, sagt Parteisprecher Karnik: «Die Bauern waren benachteiligt, weil sie ihre Produkte nicht auf dem freien Markt verkaufen konnten.» Nun sollen die Bauern ihre Ware direkt den Händlern verkaufen können – ohne Umweg über die Grossmärkte, zu einem besseren Preis.
Doch die Bauern befürchten, dass grosse, internationale Akteure wie Walmart oder auch indische Ketten die Preise weiter drücken werden, wenn sie direkt mit den Bauern verhandeln. Bauernvertreter Krishnan spricht von ungleichen Wettbewerbsbedingungen.
Schlechte Verhandlungsposition von Kleinbauern
Tatsächlich bewirtschaften die meisten Bauern in Indien Felder, die kleiner sind als ein Fussballfeld. Jeder Bauer einzeln hätte eine schlechte Verhandlungsposition gegenüber den Grossverteilern. Die staatlichen Grossmärkte hingegen können stärker auftreten.
Zudem garantieren die Mandis den Bauern einen staatlich verordneten Mindestpreis für die Ware. Dieser Mindestpreis ist im freien Markt nicht mehr garantiert – die Bauern befürchten einen Preiszerfall.
Ohne Grossmärkte gibt es noch weniger Geld
Vijoo Krishnan nennt das Beispiel des Gliedstaates Bihar, der keine solche staatlich kontrollierten Grossmärkte hat. Dort müssten die Bauern weit unter dem Minimalpreis verkaufen, die Waren würden illegal in die Nachbarstaaten transportiert und dort auf Grossmärkten verkauft.
Regierungssprecher Karnik versteht die Kritik nicht. Denn die staatlich kontrollierten Grossmärkte sollen bleiben. Die Gesetze würden diese nicht abschaffen, sondern lediglich Konkurrenz erlauben. Bauernvertreter Krishnan erwidert, über längere Frist würden die Grosskonzerne die Mandis vertreiben und dann die Preise erst recht drücken.
Krishnan, dessen Gewerkschaft zwölf Millionen Bauern vertritt, pocht seit langem auf Reformen in der indischen Landwirtschaft. Denn den Bauern in Indien geht es schlecht. Über 10'000 Suizide von Bauern sind letztes Jahr von den Behörden registriert worden. Viele müssen in einem ganzen Jahr mit weniger auskommen als einem durchschnittlichen indischen Monatslohn.
Sie fordern mehr Mindestpreise, mehr Schutz durch den Staat – doch die Regierung Modi gibt ihnen weniger, und glaubt damit die Bauern zu beglücken.