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Neue Regierung in Israel «Es gibt Schadenfreude bei der Opposition»

Rund drei Wochen nach ihrer Einsetzung hat die israelische Regierung eine erste Hürde nicht genommen. Die Regierung besteht aus acht Parteien von links bis rechts. Was dies für die neue Regierung bedeutet, sagt Journalistin Gisela Dachs.

Gisela Dachs

Journalistin in Israel

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Die gebürtige Deutsche arbeitet als Journalistin und Publizistin in Israel. Sie ist zudem Professorin am DAAD Center for German Studies und dem European Forum an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Sie lebt seit mehr als zwei Jahrzehnten mit ihrer Familie in Israel.

SRF News: Was bedeutet diese Abstimmungsniederlage im israelischen Parlament für die neue Regierung?

Gisela Dachs: Es gibt nun Schadenfreude bei der Opposition, die es zum Prinzip erhoben hat, die Regierung zu stürzen, koste es, was es wolle. Bei der Koalition ist man enttäuscht, dass man es nicht geschafft hat, das durchzubringen, obwohl man wirklich trotz aller eigenen ideologischen Gräben am Ende tatsächlich eine Kompromisslösung gefunden hatte.

Zuzugsverbot nach Israel umstritten

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Das israelische Parlament hatte 2003 ein Gesetz verabschiedet, demzufolge Palästinenser sowie Einwohner «feindlicher Länder» auch durch Heirat keine israelische Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltsgenehmigung erwerben können.

Bei der Abstimmung über eine Verlängerung des entsprechenden Gesetzes verfehlte die Acht-Parteien-Koalition im Parlament am Dienstagmorgen nach einer nächtlichen Marathonsitzung die Mehrheit. 59 von 120 Abgeordneten stimmten für und 59 gegen die Verordnung. Zwei enthielten sich.

Hintergrund ist ein Streit über das Zuzugsverbot für Palästinenser, auch wennsie mit einem israelischen Staatsbürger verheiratet sind. Bei der Abstimmung über eine Verlängerung des entsprechenden Gesetzes verfehlte die Acht-Parteien-Koalition im Parlament am Dienstagmorgen nach einer nächtlichen Marathonsitzung die Mehrheit. 59 von 120 Abgeordneten stimmten für und 59 gegen die Verordnung. Zwei enthielten sich.

Vielleicht können Sie uns gleich noch einige Details geben zu diesem Staatsbürgergesetz. Worum geht es da genau?

Es war als ursprünglich als Notstandsregelung während der zweiten Intifada gedacht. Der Hintergrund waren Sicherheitsfragen, aber auch demografische Fragen. Und bei dem Gesetz, das man nur für ein Jahr angedacht hatte und das man jedes Jahr seither immer wieder verlängert hat, geht es darum, die Familienzusammenführung für Palästinenser aus dem Westjordanland zu regeln, die eine Eheschliessung mit Israelis eingehen.

Bei dem Gesetz geht es darum, die Familienzusammenführung für Palästinenser aus dem Westjordanland zu regeln, die eine Eheschliessung mit Israelis eingehen.

Faktisch wird dadurch deren Aufenthaltsrecht und die Einbürgerung erschwert. Und in dem neuen Kompromiss ging es darum, Härtefälle eher durchzubringen. Also die Möglichkeit, schnell Regelungen zu finden. Das Gesetz sollte zudem nur noch sechs Monate gelten und nicht mehr ein Jahr. Das war angedacht. Und damit ist es jetzt nichts. Jetzt wird es gar nicht verlängert.

Wie kam es dazu?

Die rechte Opposition, die eigentlich gerade dieses Gesetz ja gerne immer wollte und dafür immer gestimmt hat, hat aus purem Zynismus dagegen gestimmt, ohne Rücksicht auf das eigene ideologische Lager. Hauptsache, man ist gegen die Regierung. Nun sind es 59 zu 59 Stimmen dafür und dagegen, mit zwei Stimmen Enthaltung. Es gab also keine Mehrheit dagegen. Das führt immerhin dazu, dass die Regierung jetzt einfach weitermachen kann.

Man kann sagen, beim ersten Vertrauensvotum hat er bereits keine Mehrheit hinter sich.

Was bedeutet denn diese gescheiterte Abstimmung für die Regierungskoalition?

Es ist in jedem Fall ein Rückschlag. Vor allem hat Regierungschef Bennett noch kurz vorher die Abstimmung zu einem Vertrauensvotum in die neue Regierung deklariert. Das macht es umso brisanter. Man kann sagen, beim ersten Vertrauensvotum hat er bereits keine Mehrheit hinter sich. Und das sieht natürlich nicht sehr gut aus.

Weiss man schon, wie es weitergeht?

Konkret bei dem Gesetz weiss man, dass es sehr viele Anträge geben wird. Das Innenministerium wird überflutet werden mit Anfragen, die bearbeitet werden müssen. Politisch will die Opposition – allen voran der Likud, mit Oppositionschef Benjamin Netanjahu – ab nächster Woche schon mehrere Gesetzesentwürfe voranbringen, die zeigen wollen, dass sie aufrichtig im rechten Lager verankert sind. Und dass sie da noch weitere Tests für die Regierungskoalition auslegen wollen.

Das Gespräch führte Eliane Leiser.

SRF 4 News, 06.07.2021, 09:35 Uhr ; 

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