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Neue Unesco-Direktorin Das sind Azoulays grösste Herausforderungen

Die 45-jährige Französin Audrey Azoulay wird neue Generaldirektorin der Unesco. Und übernimmt damit einen der wichtigsten und sichtbarsten internationalen Spitzenposten. Doch die UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur steckt in der Krise. Die wichtigsten Herausforderungen für die neue Chefin.

1. Handeln: Die Ursprungsidee der Unesco lautet: Weil Kriege in den Köpfen der Menschen entstehen, muss man auch den Frieden in den Köpfen verankern. Und zwar über Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien. Angesichts der zahlreichen Kriege, der gewaltigen Spannungen in der Welt ist offensichtlich: Die Unesco ist nötiger denn je. Vom Schutz von Kulturdenkmälern vor den Angriffen von Fanatikern bis zur Sensibilisierung der Jugend für die Gefahren von «Fake News».

Vom Schutz des Weltnaturerbes vor der Zerstörung aufgrund wirtschaftlicher Interessen bis zum Kampf für die zurzeit stärker als seit Jahrzehnten bedrohte Medienfreiheit. Auf all diesen Felder muss die UNO tätig werden. Sie muss sich ehrgeizige Ziele vornehmen und konkrete Programme durchsetzen.

2. Versöhnen: Eigentlich galt als ausgemacht, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Unesco ein Araber das prestigeträchtige Amt übernimmt und Unesco-Generaldirektor wird. Die Kandidatur von Audrey Azoulay galt deshalb zunächst als chancenlos. Dass sie sich am Ende trotzdem durchsetzte, hat damit zu tun, dass die arabische Welt wegen der Katar-Krise gespalten ist. Weshalb die beiden Favoriten aus dem Nahen Osten einander gegenseitig ausbremsten. So dass am Ende die frühere französische Kulturministerin mit jüdisch-marokkanischen Wurzeln das Rennen machte.

Die Araber sind enttäuscht, ja frustriert. Audrey Azoulay muss es gelingen, sie wieder einzubinden. Und noch wichtiger: Sie muss versuchen, die USA, die im Oktober türenknallend die Unesco verlassen haben, wieder an Bord zu holen. Ebenso Israel. Das wird äusserst schwierig sein, solange in Washington Donald Trump und in Israel Benjamin Netanyahu regieren.

Versuchen muss sie es trotzdem mit aller Kraft: Denn ohne die USA, auf deren Initiative die Unesco im Grunde zurückgeht, herrscht in der Organisation ein Übergewicht von autoritär regierten Staaten. Also von Regierungen, bei denen freie Medien, freie Wissenschaften und freies Kulturschaffen nicht gerade oben auf der Agenda stehen.

Fredy Gsteiger

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Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er u.a. Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

3. Sparen: Schon seit einigen Jahren bezahlen die USA ihren Mitgliedsbeitrag nicht mehr. Und zwar weil die Unesco Palästina als Vollmitglied anerkannt hat, zum Ärger Israels. Doch bisher hoffte man, die USA würden nicht nur Mitglied bleiben, sondern bald auch wieder zahlen. Stattdessen verfügte im Oktober Präsident Donald Trump, sein Land werde der Unesco ganz den Rücken kehren. Damit fällt der wichtigste Beitragszahler, der rund 22 Prozent des Haushaltes bestritt, dauerhaft aus.

Auch Japan, ebenfalls ein wichtiger Zahler, hat wegen eines Streits freiwillige Zuwendungen gekürzt. Die neue Unesco-Chefin muss also weiter sparen, und zwar massiv. Abstriche bei der Bürokratie am Hauptsitz in Paris werden nicht reichen. Die Organisation wird auch zahlreiche Projekte kappen oder zumindest reduzieren müssen. Die grosse Frage: Welche?

4. Entpolitisieren: Bildung, Wissenschaft, Kultur und Medien, also die wichtigsten Tätigkeitsfelder der Unesco, sind allesamt hochpolitisch. Seit jeher werden deshalb in dieser UNO-Organisation äusserst heftige, oft ideologisch befrachtete Kontroversehen ausgetragen. Mal zwischen Industrie- und Drittweltländern, mal zwischen demokratischen und autokratischen Regierungen. Die Unesco ist deshalb weitaus umstrittener als andere UNO-Organisationen wie etwa das Welternährungsprogramm, die Zivilluftfahrtbehörde oder das internationale Patentamt.

In schlechter Erinnerung ist noch der jahrelange Streit in der Unesco um eine Weltinformationsordnung im vergangenen Jahrhundert. Der Westen sah darin in erster Linie eine Weltzensurordnung. Heute entzündet sich der Zwist häufig an der Palästinafrage. Audrey Azoulay ist die Verpolitisierung der Unesco sehr wohl bewusst und zuwider.

Sie bedauert, dass Probleme, die im UNO-Sicherheitsrat nicht beigelegt werden können, in die Unesco hineingetragen werden und die Organisation schwer belasten. Sie möchte sie entpolitisieren. Ob ihr das gelingt, hängt auch von ihrer Führungsstärke und ihrem diplomatischen Geschick ab. Aber ihr Einfluss ist begrenzt. Die Mitgliedstaaten müssten mitziehen. Denn gegen den Willen einflussreicher Länder lässt sich keine UNO-Organisation führen.

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