Er hat gegen den erklärten Willen von Angela Merkel auf einem CDU-Parteitag ein Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft herbeigeredet. Er soll gemeinsam mit Christian Lindner (FDP) und Alexander Dobrindt (CSU) Pläne geschmiedet haben, wie das Ende der Kanzlerschaft von Merkel eingeleitet und die Union wieder konservativer gemacht werden kann. Und er verbindet politisches Sendungsbewusstsein mit der Bereitschaft zu markanten Positionen und zum Einarbeiten ins gesetzestechnische Detail. Nun soll Jens Spahn Gesundheitsminister werden.
Jahrelang gesundheitspolitischer Sprecher
Der 37-Jährige wäre eine der schillerndsten Figuren im neuen Kabinett. Nach sechs Jahren als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion und zweieinhalb Jahren als parlamentarischer Finanz-Staatssekretär soll er in die erste Reihe aufrücken, auch wenn die weiteren Profilierungschancen an der Spitze des Gesundheitsressorts wohl zunächst begrenzt sind.
In der Vergangenheit brachte sich Spahn nicht nur als geschicktester Merkel-Kritiker in den eigenen Reihen in Stellung. Er tummelte sich auch auf gesellschaftspolitischen Feldern, die mit seinen offiziellen Politikbereichen wenig, mit dem gefühlten Stimmungen im Land und dem erwünschten konservativen CDU-Kurs aber umso mehr zu tun haben.
Opernball statt Koalitionsvertrag
So forderte das CDU-Präsidiumsmitglied zur Osterpause vor einem Jahr ein Islamgesetz etwa gegen «Import-Imame», die von der Türkei geschickt würden und eine reaktionäre Ausprägung ihrer Religion in Deutschland verankern wollten. Statt nach den langen Tagen mit der SPD den von ihm mitverhandelten Koalitionsvertrag zu erklären und verteidigen, reiste er tags drauf zum Wiener Opernball und suchte die Nähe zu Österreichs jungkonservativem Kanzler Sebastian Kurz, der so etwas wie ein politisches Gegenbild zu Merkel ist und für einen harten Flüchtlingskurs steht.
Jens Spahn am Opernball
Einigermassen spektakuläre Einlassungen und Vorstösse mit Überraschungseffekt gehören zu Spahns Karriere seit Jahren dazu. Als 2008 die damalige grosse Koalition eine Rentenerhöhung beschlossen hatte, wertete der Jungpolitiker das «Wahlgeschenk an die Rentner» und löste eine Empörungswelle aus. Ob er ein Verbot von Schönheitsoperationen bei Jugendlichen forderte oder die Trennung in gesetzliche und private Krankenversicherung als «nicht mehr zeitgemäss» kritisierte – Aufmerksamkeit war ihm gewiss.
Im Münsterland verwurzelt
Persönlich ist der grossgewachsene Mann mit modischer Brille gewinnend, freundlich. Mühe, sein Selbstbewusstsein zu verbergen, gibt er sich wenig. Immer wieder ist er mit Schwulenfeindlichkeit konfrontiert. Wenige Tage vor Weihnachten heiratete er seinen Lebenspartner, den Journalisten Daniel Funke. «Falls mein Freund und ich mal Kinder adoptieren sollten, dann wäre mein Vater der glücklichste Opa der Welt», sagte er in einem Interview. Unpassende Bemerkungen konterte er immer wieder lässig.
Gleichzeitig bemängelte er auch, dass Schwulenhass von Flüchtlingen tabuisiert werde, angeblich aus einem krudem «Multi-Kulti-Wohlfühldasein» heraus. Verwurzelt ist Spahn im Münsterland, wo er Abitur machte, einem Kreisverband der Jungen Union vorsass und zehn Jahre Mitglied in einem Stadtrat war.
Ein bisschen Gegenwind bekam der gelernte Bankkaufmann vergangenes Jahr wegen seiner Beteiligung an einem Startup, das günstige Bearbeitungen von Steuererklärungen im Internet anbietet. SPD und Grüne warfen ihm einen Interessenkonflikt vor, weil er als Finanzstaatssekretär für solche Firmen zuständig sei und einen staatlichen Zuschuss erhalten habe. Spahn wollte die Anteile an der Firma verkaufen und den Zuschuss zurückzahlen.
Mit diesen Ministern will Merkel in die Groko:
Die Minister der Regierung Merkel
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Bild 1 von 17. Das Kabinett um die neue Merkel-Regierung in Berlin steht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 17. Angela Merkel, Bundeskanzlerin. Die alte und neue Kanzlerin heisst Angela Merkel. Sie wird in den kommenden Tagen vereidigt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 17. Helge Braun, Kanzleramtschef. Der 45-Jährige amtete bereits als Staatssekretär im Kanzleramt. Seit 2009 gehört der Hesse dem Bundestag an. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 17. Olaf Scholz, Vizekanzler und Finanzminister. Der bisherige Erste Bürgermeister von Hamburg wird zudem die Arbeit der SPD-Minister im Kabinett koordinieren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 17. Heiko Maas, Aussenminister. Der ehemalige Justizminister Heiko Maas wechselt ins Aussenministerium und ersetzt dort Sigmar Gabriel. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 17. Peter Altmaier, Wirtschaftsminister. Ein alter Bekannter: Der bisherige Kanzleramtschef soll neuer Wirtschaftsminister werden. Der Saarländer gilt als einer der wichtigsten Vertrauten Merkels und fungierte schon als Umweltminister. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 17. Ursula von der Leyen, Verteidigungsministerin. Sie ist der Dauerbrenner in der Regierung. Die 59-Jährige war bereits in der vergangenen Legislatur Verteidigungsministerin. In Merkels vorherigen Kabinetten amtete sie als Familienministerin sowie als Arbeitsministerin. Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 17. Horst Seehofer, Innenminister. CSU-Politiker Horst Seehofer und Kritiker der Kanzlerin wird Innenminister. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 17. Katarina Barley, Justizministerin. Die Lücke im Justizministerium wird SPD-Politikerin Katarina Barley ausfüllen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 17. Hubertus Heil, Arbeitsminister. Der neue Arbeits- und Sozialminister kommt ebenfalls von der SPD. Sein Name: Hubertus Heil. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 17. Jens Spahn, Gesundheitsminister. Der 37-Jährige gilt als einer der grössten parteiinternen Kritiker der Kanzlerin. Nun will Merkel Spahn als Gesundheitsminister in ihr Kabinett holen. Seit 2015 ist der Westfale Staatssekretär im Finanzministerium. Der bisherige Gesundheitsminister Hermann Gröhe würde leer ausgehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 17. Franziska Giffey, Familienministerin. Und Franziska Giffey wird die neue Familienministerin der neuen Merkel-Regierung in Berlin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 17. Svenja Schulze, Umweltministerin. Auch das Umweltministerium wird ein SPD-Kabinettsmitglied ausfüllen – von Svenja Schulze. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 17. Anja Karliczek, Bildungsministerium. Sie ist die grosse Überraschung: Anja Karliczek sitzt erst seit 2013 im Bundestag und amtet seit Anfang 2017 als parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 17. Andreas Scheuer, Verkehrsminister. Andreas Scheuer übernimmt das Verkehrsministerium. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 17. Julia Klöckner, Landwirtschaftsministerin. Trotz ihrer Niederlage als Spitzenkandidatin bei den Landtagswahlen 2016 in Rheinland-Pfalz soll Klöckner einen Ministerposten erhalten. Die 45-Jährige ist mit dem Landwirtschaftsministerium vertraut: Von 2009 bis 2011 war sie dort parlamentarische Staatssekretärin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 17. Gerd Müller, Entwicklungsminister. CSU-Politiker Gerd Müller wird der neue Entwicklungsminister der Merkel-Regierung. Bildquelle: Keystone.