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Neues Gesetz dämpft Reiselust nach Russland
Aus HeuteMorgen vom 17.04.2019.
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Neues Gesetz gegen Minihotels Kreml sorgt für Hotelsterben in Grossstädten

Die russische Regierung hat die Regeln für Hotelbetreiber verschärft. Für die Tourismusindustrie ist das ein schwerer Schlag.

Die «Petrovka Loft» ist ausgebucht. Irina Kudrjaschowa sagt mit einer Mischung aus Bedauern und Stolz: «Ich kann Ihnen deswegen nicht einmal ein Zimmer zeigen.» Die grossgewachsene Frau mit den langen roten Haaren führt dieses kleine, einfache Hotel seit rund zehn Jahren. Es liegt im Herzen von Moskau, im dritten Stock eines Altbaus mit mehreren Wohnungen. Acht Zimmer hat die «Petrovka Loft»; WC und Dusche werden geteilt. Hier zu übernachten, kostet weniger als 30 Franken.

Hotelbesitzerin Irina Kudrjaschowa
Legende: «Wir werden den Betrieb am 1. Oktober einstellen müssen», sagt Irina Kudrjaschowa. SRF/David Nauer

Damit ist es aber bald vorbei. «Wir werden den Betrieb am 1. Oktober einstellen müssen», sagt Kudrjaschowa. Grund ist ein Gesetz, das kürzlich vom russischen Parlament verabschiedet wurde: Es verbietet das Betreiben von Hotels in Wohnhäusern. Für die Tourismusindustrie ist das ein schwerer Schlag.

Manche werden versuchen, das Geschäft illegal weiterzutreiben, aber für mich kommt das nicht infrage.
Autor: Irina Kudrjaschowa Hotelbesitzerin in Moskau

Etagenhotels wie die «Petrovka Loft» sind vor allem in Grossstädten weit verbreitet. Oft sind es ehemalige herrschaftliche Wohnungen, die zu simplen Herbergen umgebaut wurden. Rucksacktouristen und andere Reisende mit wenig Geld schätzen diese günstigen Alternativen zu den – oft teuren – grossen Häusern.

Experten schätzen: Solche Minihotels machen zum Beispiel in der einstigen Zarenstadt St. Petersburg einen Drittel des Marktes aus. Viele davon werden schliessen müssen – wenn auch nicht alle. Die Moskauer Geschäftsfrau Irina Kudrjaschowa vermutet: «Manche werden versuchen, das Geschäft illegal weiterzutreiben, aber für mich kommt das nicht infrage.»

Tatsächlich könnten Hotelbetreiber versucht sein, ihre Zimmer nur noch unter der Hand zu vermieten. Zudem sieht das Gesetz zahlreiche Schlupflöcher vor und Gesetze werden in Russland oft sehr grosszügig interpretiert. Auch der Ferienwohnungsmarkt über Plattformen wie Airbnb dürfte profitieren, wenn viele günstige Hotels dichtmachen. Diese privaten Unterkünfte sind bis heute schlecht bis gar nicht reguliert.

Für den Staat sind wir Kleinunternehmer einerseits nützlich, weil wir Steuern bezahlen, andererseits sind wir auch unabhängige, eigenständige Bürger – und das gefällt wohl nicht allen.

Überhaupt herrscht im russischen Hotellerie-Markt jetzt schon ein ziemlicher Wildwuchs. Zu Sowjetzeiten gab es riesige, staatlich betriebene Hotelkästen. Diese sind – meist oberflächlich aufgefrischt – immer noch in Betrieb. Sie werden durch schicke Fünf-Sterne-Tempel, Hotels internationaler Ketten und eben auch einfache Unterkünfte wie die «Petrovka Loft» ergänzt.

Die «Petrovka Loft» liegt im Herzen von Moskau.
Legende: Die «Petrovka Loft» liegt im Herzen von Moskau, im dritten Stock eines Altbaus. SRF/David Nauer

Dazu kommt ein grosses, halblegales Segment: Einfachste Hostels, in denen häufig nicht Touristen, sondern Gastarbeiter aus Zentralasien unterkommen. Diese Schattenhotels sind es, die dem Staat ein Dorn im Auge sind. Denn oft beschweren sich Nachbarn über Lärm und andere Belästigungen.

Doch statt gezielt gegen schwarze Schafe vorzugehen, radiert die Staatsmacht eine ganze Branche aus. Vor allem kleine und mittlere Betriebe kommen unter die Räder. Kudrjaschowa vermutet dahinter eine gewisse Absicht. «Für den Staat sind wir Kleinunternehmer einerseits nützlich, weil wir Steuern bezahlen, andererseits sind wir auch unabhängige, eigenständige Bürger – und das gefällt wohl nicht allen.»

Geht es wirklich um den Schutz von Anwohnern?

Auch Experten rätseln, was die wahren Absichten hinter dem Angriff auf die Günstig-Herbergen sind. Geht es wirklich um den Schutz von Anwohnern? Oder will die Hotellobby kleine Konkurrenten aus dem Markt drängen?

Das Aus für die Minihotels jedenfalls passt zur Wirtschaftspolitik des Kremls: Der Staat und seine Grosskonzerne haben in den letzten Jahren den Einfluss auf die Wirtschaft deutlich ausgebaut. Für kleine Privatunternehmer bleibt immer weniger Raum, nun wird es auch in der Hotellerie eng für sie.

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