Für viele ist sie ein Stachel im Fleisch: die Gewichtheberin Laurel Hubbard, 43 Jahre alt. Als Mann geboren - vor acht Jahren zur Frau operiert. Jetzt startet sie in der Frauenkategorie. Schon bei früheren Wettkämpfen hat sie Mitkonkurrentinnen abgehängt.
Dass Laurel Hubbard an Olympia in der Frauenkategorie teilnehmen dürfe, sei wie ein «schlechter Witz», sagt die belgische Gewichtheberin Anna Vanbellinghen zur BBC: «Jede, die Gewichtheben auf hohem Niveau trainiert hat, weiss: Diese Ausgangslage ist unfair für den Sport und für die Athletinnen. Einigen Athletinnen entgehen einmalige Chancen: auf Medaillen und auf Olympia-Qualifikation – und wir sind einfach machtlos dagegen.»
Es geht um mehr als nur um Testosteron
«Für solche Einwände habe ich Verständnis», sagt die Biochemikerin und Medizinerin Christina Spengler gegenüber 10vor10. Sie ist Professorin für Human- und Sportphysiologie an der ETH Zürich. «Weil es im Moment wirklich nicht ganz fair scheint vom physiologischen Standpunkt her. Aufgrund der Daten, die man bis jetzt hat, ist sie wahrscheinlich im Vorteil gegenüber ihren Konkurrentinnen.»
Schon vor ihrer operativen und hormonellen Geschlechtsanpassung war Laurel Hubbard Gewichtsheber. Sie hiess damals noch Gavin – und war mässig erfolgreich. 2017 beginnt Laurel Hubbard bei Frauenwettkämpfen im Gewichtheben teilzunehmen – und stellt viele Top-Athletinnen in den Schatten.
Die frühere neuseeländische Olympia-Gewichtheberin Tracey Lambrechs war daraufhin chancenlos. Sie nahm in 3 Monaten 18 Kilo ab, um in einer anderen Gewichtsklassen antreten zu können. Inzwischen hat sie sich enttäuscht vom Sport abgewandt. Sie sagt: Dadurch, dass Hubbard ihre Pubertät als biologischer Mann verbracht und bereits in ihren 20ern bei Wettkämpfen im Gewichtheben teilgenommen habe, habe sie Vorteile.
2019 gewann Laurel Hubbard die Goldmedaille an den Pacific Games in Samoa. Sie besiegte die Kronfavoritin aus Samoa – und erntete bitterböse Kommentare.
Start-Voraussetzungen nur bei Transfrauen diskutiert
Transmann Alecs Recher vom Transgender Network Switzerland sagt: «Absolute Fairness im Sport gibt es nicht. Sport, wo alle die gleichen Voraussetzungen haben – das wäre langweilig. Wenn man mit anderen Sportlern vergleicht – ein Usain Bolt oder ein Michael Phelps – das sind zwei cis Männer, die körperlich wahnsinnig gute Voraussetzungen haben. Dort wird nicht diskutiert, dass sie einen enormen Vorteil haben. Aber es wird bei den Transfrauen diskutiert. Ich glaube, da haben wir ein ganz grosses Problem.»
Absolute Fairness im Sport gibt es nicht. Sport, wo alle die gleichen Voraussetzungen haben – das wäre langweilig.
Rachel Wong ist Geschäftsführerin des Think-Tanks «Womensforum Australia». Sie sagt: Fairness gehe vor. «Ich verstehe die Anliegen der Transfrauen. Doch was passiert, ist Folgendes: Während wir versuchen, Transathletinnen einzubinden, schliessen wir damit Frauen aus ihrem eigenen Sport aus. Ich bin deshalb der Meinung, dass es Transfrauen nicht erlaubt sein sollte, in der Frauenkategorie anzutreten.»
Die ETH-Sportphysiologin findet es grundsätzlich wichtig, dass man in der heutigen Zeit Lösungen sucht, um Transgender-Menschen teilhaben zu lassen – doch sie gibt zu bedenken: «Möglicherweise muss man sogar sagen, dass man bei gewissen Sportarten einfach nicht zu einer fairen Entscheidung kommt.»
Die Transathlethin Laurel Hubbard wird am 2. August bei Olympia antreten. Sie hat gute Chancen auf eine Goldmedaille. Doch selbst wenn sie gewinnt – einen bitteren Beigeschmack wird es haben. Längst nicht alle werden ihr die Medaille gönnen.