Von weitem betrachtet ist die Politik in Österreich ziemlich monoton: Seit mehr als zehn Jahren regiert eine Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen – derzeit mit SPÖ-Mann Christian Kern als Kanzler.
Doch in den letzten Tagen ist es plötzlich spannend geworden: Sebastian Kurz, der erst 30-jährige Aussenminister, hat in einer Art Coup die konservative ÖVP übernommen.
Die konservative Partei wird bei den nächsten Wahlen am 15. Oktober als «Liste Kurz – die neue Volkspartei» antreten.
Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau-Universität Krems sagt: Der «Shooting-Star» Sebastian Kurz übernehme zwar das Ruder im konservativen Lager; von einer neuen Bewegung im Stil von Emmanuel Macrons «En marche!» könne aber keine Rede sein: «Kurz will die Partei verändern. Aber er wird einen ÖVP-Wahlkampf mit ÖVP-Geldern führen.»
Im Gespräch mit SRF News klärt Filzmaier die wichtigsten Fragen zu den anstehenden Neuwahlen.
Zum Umsturz in der ÖVP
Den Konservativen sei angesichts der letzten Wahlergebnisse und Umfragewerte nichts anderes übrig, als ihrem Jungstar weitreichende Vorrechte einzuräumen. Mit einem anderen Spitzenkandidaten wären die «Chancen auf die Kanzlerschaft gleich Null», sagt Filzmeier.
Das Risiko bleibt zudem überschaubar: Entweder fahre Kurz einen triumphalen Wahlsieg ein, oder er scheitere kläglich – nur dann könnten die Zugeständnisse an ihn rückgängig gemacht werden, so Filzmeier.
Zum Phänomen Sebastian Kurz
Für Filzmeier ist Kurz ein politisches und kommunikatives Talent, was aber allein nicht als Erklärung ausreicht. In seinen bisherigen Ämtern habe Kurz es geschafft, sehr professionell zu sein. Er sei auch unterschätzt worden, wenn es um Inhaltliches ging.
Als Aussenminister habe er mit realen Zahlen und Fakten argumentiert – ob man dem zustimme oder nicht. Und Kurz führe auch das österreichische Aussenministerium professionell.
Zum Rennen um die Kanzlerschaft
Die FPÖ mit Hans-Christian Strache ist unverändert dabei. Selbstverständlich auch die Kanzlerpartei SPÖ mit Christian Kern. Vollkommen neu ist aber auch die ÖVP, jetzt mit Kurz an der Spitze.
Zudem müsse auch das Wahl- und Regierungssystem in Österreich beachtet werden: Üblicherweise beauftragt der Bundespräsident den Chef der erstplatzierten Partei mit dem Versuch einer Regierungsbildung. Trotzdem können am Schluss auch der Zweit- und Drittplatzierte eine Koalition bilden.
Eine neuerliche Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP hält Filzmeier aber für unwahrscheinlich – zu viel Porzellan wurde zerschlagen. Der Nutzniesser daraus könnte die FPÖ sein.