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Isabelle Jacobi
Legende: Isabelle Jacobi leitete ab 2012 die Redaktion des «Echo der Zeit» und ist seit diesem Sommer USA-Korrespondentin. SRF

Nicht verrückt, nur gerissen Für jedes Publikum den Trump, der gerade passt

In den USA diskutieren die Medien einmal mehr, wer dieser Präsident wirklich ist. Auch die SRF-USA-Korrespondentin analysiert sein Verhalten. Ruft er nun zum Kampf oder zur Einheit auf? Wahrscheinlich beides, und zwar gewollt.

«Drei Personen, derselbe Präsident», titelte die Washington Post zu den drei öffentlichen Auftritten von Trump in dieser Woche. Sie hätten in Tonalität und Inhalt nicht unterschiedlicher sein können.

Trump als Staatsmann

Am Mittwoch las Donald Trump vor begeisterten Veteranen in Reno, Nevada, diszipliniert vom Teleprompter ab. «Es gibt keine Spaltung, die wir nicht heilen könnten, es gibt keinen Feind, den wir nicht besiegen könnten, denn wir in Amerika verlieren nie den Glauben.»

Ähnlich sprach Trump am vergangenen Montag, als er am Fernsehen seine Afghanistan-Politik verkündete. Es war ein Aufruf zur nationalen Einheit nach den Geschehnissen in Charlottesville, wo rechtsgerichtete Gruppen und Neonazis gegen die Entfernung eines Konföderierten-Denkmals protestierten und mit linken Gegenprotestlern zusammenprallten. Endlich atmete das republikanische Establishment auf, endlich benimmt er sich wie ein Präsident.

Trump als Spaltpilz

Ganz anders tönte Trump am Dienstag in Phoenix, Arizona. «Ihr wisst ja, wo mein Herz liegt», setzt er an. «Sie nehmen uns unsere Kultur und unsere Geschichte weg», sagte er zu den entfernten Statuten von Sezessionisten.

Trump sprach 77 Minuten lang zu seiner Basis. Im Staccato attackierte er politische Gegner. Über die Republikaner im Senat mokierte er sich, auch wenn er keine Namen nannte. «Ich nenne keine Namen. Benehme ich mich nicht wie ein Präsident?» fragte er die tobende Menge zynisch.

Doppelgesichtigkeit mit System

Derweil perfektioniert Trump sein Spiel mit multiplen Persönlichkeiten. Innerhalb von 48 Stunden posiert er umsichtiger Amtsinhaber und aufrührerischer Tribun. Das jeweilige Zielpublikum darf sich denjenigen Trump aussuchen, den es will. Die Republikaner können gegen aussen wenigstens betonen, wie lernfähig und traditionell konservativ Trump agiert, trotz seiner rhetorischen Ausrutscher.

Die Liebe seiner Basis verliert dieser Präsident doch nicht: Was er tags zuvor gesagt hat, sagte er ja nur, weil er musste, als Präsident. Trumps Doppelgesichtigkeit hat System. Dieses System ist insofern nicht verrückt, weil es bis jetzt politisch funktioniert.

Der Präsident mit den vielen Gesichtern

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