Zum Inhalt springen
Zeiger der Atomkriegsuhr wird verstellt.
Legende: Die Atomkriegsuhr soll der Öffentlichkeit verdeutlichen, wie gross das Risiko eines Atomkrieges ist. Keystone

Nukleares Wettrüsten in Gang Die Atomkriegsuhr steht auf zwei vor zwölf

Die Atomkriegsuhr – auch «Uhr des Jüngsten Gerichts» genannt – steht neuerdings nicht mehr auf fünf vor, sondern auf zwei Minuten vor zwölf. Führende Atomwissenschaftler, welche die symbolische Uhr erfunden haben, sind also überzeugt, dass das Risiko eines Atomkriegs stark zugenommen hat.

Das befürchtet auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges stehe man vor einer nuklearen Bedrohung. Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel malt ebenfalls schwarz: «Wir Deutschen wollen nicht zurück in die Zeit nuklearer Aufrüstungslogik. Denn hier im Zentrum Europas würde wieder der Austragungsort nuklearer Konflikte liegen.»

New-START-Vertrag läuft aus

Tatsache aber ist, der internationale Atomsperrvertrag wird längst grob missachtet. Der historische INF-Vertrag (Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme), der nukleare Mittelstreckenwaffen in Europa verbietet, ist kaum noch das Papier wert, auf dem er steht.

Der New-START-Vertrag (Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen) über strategische Langstreckenatomwaffen zur Abschreckung wird zwar noch eingehalten, doch wenn er ausläuft – schon 2021 – gibt es keinerlei Nachfolgeabkommen.

«Schuld sind Russland und China»

Nobelpreisträgerin Beatrice Fihn von der internationalen Kampagne gegen Atombomben sagt es so: «Wenn diese Waffen weiter existieren, werden sie irgendwann eingesetzt, bewusst, aus Zufall oder durch Sabotage.»

Alle reden wieder von Atomwaffen, aber niemand will schuld an der gefährlichen Entwicklung sein. Die Bemühungen gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen stünden unter enormem Druck, sagt US-Sicherheitsberater H.R. McMaster. Schuld daran seien Russland und China, die in ihre nuklearen Arsenale investieren.

Wille zur Abrüstung ist nicht vorhanden

Der russische Aussenpolitiker Sergej Kisljak wiederum sieht das Problem bei den USA. Man sei in Moskau höchst irritiert über die US-Pläne, sogenannte Mini-Atombomben zu entwickeln. Waffen, die nicht nur der Abschreckung dienen, sondern tatsächlich eingesetzt werden können – oder gar sollen.

Dan Smith, Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, meint, noch liege die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs weit unter 50 Prozent. Beruhigend ist das nicht. Und was Smith ganz besonders irritiert, er sieht zurzeit kein Zeichen dafür, dass die Atommächte auch nur den geringsten Willen haben, nuklear abzurüsten. Eine bedrohliche Situation.

Fredy Gsteiger

Box aufklappen Box zuklappen
Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er u.a. Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Meistgelesene Artikel