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International «Obama hat keine Alternative»

Die USA sind zurück im Mittleren Osten: Sie greifen direkt ein im Irak und neu auch in Syrien. Verkünden musste diese Botschaft Präsident Barack Obama. Er hatte sich stets als Gegenpol zum Vorgänger George W. Bush verstanden und wurde dafür auch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

SRF: Gezielte Luftangriffe auf die IS-Terroristen in Irak und Syrien, Kooperation mit Partnern in Europa und der Welt, gezieltes Training der Opposition und humanitäre Hilfe. Das sind die Kernpunkte der amerikanischen Strategie gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die US-Präsident Barack Obama verkündet hat. Ist diese Strategie erfolgversprechend?

Stephan Bierling

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Legende: ZVG

Der deutsche Politikwissenschafter ist Professor für internationale Politik und transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg. Die Innen-, Aussen- und Wirtschaftspolitik der USA ist sein Spezialgebiet.

Stephan Bierling: Es bleibt Obama im Grunde keine Alternative. In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck festgesetzt, dass der Präsident handlungsunfähig sei. Die Hinrichtungen von zwei amerikanischen Journalisten hat unterstrichen, dass das Interesse der USA und das Leben von Amerikanern direkt bedroht sind. Deshalb musste Obama etwas tun. Das er hierfür ausgerechnet den Tag vor dem 11. September wählt, ist eine klare Botschaft. Aber es bedeutet auch, dass er den Rückzug der USA aus dem Mittleren Osten rückgängig macht, den er eigentlich versprochen hatte. Er geht mit voller Kraft wieder rein.

Schauen wir uns die amerikanische Taktik ein bisschen genauer an. Obama will lokale Kräfte bewaffnen. Wie soll das konkret gehen?

Der gemässigte Widerstand, auf den Obama in seiner Rede gesetzt hat, ist im Grunde viel zu schwach, als dass er grossen Einfluss auf die Geschehnisse nehmen könnte. Da hat man den richtigen Zeitpunkt verpasst. Vor zwei oder drei Jahren wäre das anders gewesen. Damals gab es in Syrien eine breite, nicht zu Gewalt neigende Minderheit, die sich Präsident Baschar al-Assad entgegenstellte. Hier hätte man politische – und später, als die Kämpfe ausbrachen, auch militärische – Unterstützung leisten können.

Diese Minderheit wurde seither zwischen der unglaublichen Brutalität sowohl des Assad-Regimes als auch der IS-Dschihadisten zerrieben. Deshalb kann Obama im Grunde nicht glaubhaft machen, dass es eine Gruppe gibt, welche die USA wirklich stärken können.

Sprechen wir noch über die Angriffe aus der Luft, welche die US-Luftwaffe seit dem 8. August auf Stellungen der IS-Terrormiliz fliegt. Wie gross ist hier die Gefahr für die Zivilbevölkerung in Syrien und im Irak?

Diese Gefahr besteht in einem Krieg immer. Die Amerikaner haben vergangenen Monat primär im Irak 150 Angriffe mit Drohnen auf IS-Milizen ausgeführt. Allein diese Zahl zeigt, dass es den USA sehr ernst ist. Die Zivilbevölkerung wird von den IS-Kämpfern in einer Form malträtiert, vertrieben und umgebracht, dass die US-Luftschläge – selbst wenn sie zivile Opfer fordern würden – noch immer die bessere Möglichkeit sind, IS Einhalt zu gebieten.

Genügen diese Massnahmen, um IS zurückzuschlagen?

Das wissen wir nicht. Aber die Erfahrung zeigt, dass es gelingen kann. Ich denke an zwei Beispiele: 1995 reichten Nato-Luftschläge zusammen mit einer Bodenoffensive der von den Amerikanern ausgebildeten und ausgerüsteten Kroaten aus, um den damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic zum Einlenken zu bewegen. Und 2001 unterstützen die Amerikaner in Afghanistan die von ihnen ausgebildete Nordallianz aus der Luft. Diese Kombination trug dazu bei, die Taliban aus der Hauptstadt Kabul zu vertreiben.

Obama macht den Rückzug der USA aus dem Mittleren Osten rückgängig, den er eigentlich versprochen hatte
Autor: Stephan Bierling Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg

Wenn die Amerikaner nun wieder auf Luftschläge setzten, dann ist das nur vernünftig, wenn sie auch auf Verbündete am Boden zurückgreifen können. Das sind primär die Kurden, die wahrscheinlich engsten Verbündeten der Amerikaner im Mittleren Osten. Kommt es zudem zur Unterstützung durch irakische Streitkräfte und durch den Iran, dann werden die Amerikaner vermutlich Erfolge haben.

Erste Erfolge sahen wir bereits letzte Woche: Die Terrormiliz IS erlitt grosse Gebietsverluste. Die Kombination von gut ausgerüsteten Bodentruppen und Unterstützung aus der Luft wird dem Problem zumindest Einhalt gebieten. Lösen können wir das Problem allerdings wohl erst in einer Zeitspanne, die über Obamas Amtszeit hinausgeht.

Audio
US-Präsident Obamas Strategie gegen den «Islamischen Staat»
aus Rendez-vous vom 11.09.2014. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 10 Minuten 28 Sekunden.

Sie haben es angetönt, es ist wichtig, dass die USA Partner für das Vorgehen haben. Obama hat eine ganze Länderliste präsentiert. Aufgelistet sind unter anderen auch Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Ist eine derart breite Allianz realistisch?

Eine solche Allianz ist vor allem politisch wichtig. Denn im Gegensatz zur Bush-Administration, die im Irak ohne Verbündete in der arabischen Welt einmarschiert war, setzt Obama alles daran, in der Region Unterstützung zu bekommen. Unterdessen haben die IS-Milizen vielen Regimes aus der Region einen Schrecken eingejagt und die Amerikaner werden in den Mittleren Osten zurückgewünscht – nachdem sie über Jahre nur als Unruhestifter wahrgenommen wurden, insbesondere nach dem Krieg im Irak.

Es zeigt sich, dass ohne amerikanische Führung eine einigermassen stabile Lösung im Mittleren Osten nicht möglich ist. Obama hat unglaublich lange gebraucht, um zu verstehen, dass man die USA nicht einfach aus einer so wichtigen Weltregion zurückziehen kann, ohne dass diese Region im Anschluss zu kollaborieren droht.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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