SRF News: Hätte Barack Obama die letzten umweltpolitischen Entscheide auch gefällt, wenn nicht Donald Trump sein Nachfolger würde?
Stephan Bierling: Ich glaube schon. Das hat schon sein Vorgänger Bush getan, das hat auch Bill Clinton extensiv genutzt. Jetzt kommt der Entscheidung besondere Dringlichkeit zu, weil Obamas Nachfolger Trump angekündigt hat, in der Umweltpolitik sehr viel laxer aufzutreten. Insofern ist Obama mit dieser Entscheidung, die Behring-See vor Ölförderung zu schützen, einen sehr weiten Schritt gegangen, und es wird seinem Nachfolger auch sehr schwerfallen, diesen Schritt wieder rückgängig zu machen.
Kurz vor Trumps Wahl stimmte Obama dem Pariser Klimaabkommen und dem Clean-Power-Plan für eine Reduktion des CO2-Ausstosses in der Stromproduktion zu. War er zu lange zu zögerlich?
Er hat in der Tat lange zögerlich gehandelt. Man muss aber im Hinterkopf haben, dass er eben in seinen ersten beiden Amtsjahren, in denen er auf Gesetzesbasis mit Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses wirklich etwas hätte bewirken können, andere Prioritäten hatte. Da musste er die US-Wirtschaft vor dem Absturz sichern. Er hat sich um die Krankenversicherung gekümmert, bevor er sich der Umweltpolitik zuwandte. Das heisst, Obama musste sich andere Mittel suchen, vor allem so genannte Exekutivanordnungen, um seine Umweltprogramme durchzusetzen und den Wählern, die ihn ja besonders auch wegen seiner progressiven Umweltpolitik gewählt hatten, irgendetwas zu bieten. Das hat er erfolgreich gemacht, vor allem in den letzten drei Amtsjahren.
Viele Bundesstaaten und viele Städte haben sich zu einer recht aktiven progressiven Umweltpolitik verpflichtet.
Am 20. Januar übernimmt Donald Trump das Amt. Wie kann er als neuer Präsident wieder Gegensteuer geben?
Das wird ihm nicht leicht fallen. Da müsste der Kongress in einigen Fällen alte Gesetze ändern und das wird nicht einfach, denn es gibt Sperrminoritäten der Demokraten. Neben diesen rechtlichen Möglichkeiten ist natürlich auch immer zu beachten, dass in den USA Umweltpolitik nicht nur vom Präsidenten und auf Bundesebene in Washington gemacht wird. Viele Bundesstaaten und viele Städte haben sich zu einer recht aktiven progressiven Umweltpolitik verpflichtet. Das wird auch ein Trump als Präsident nicht ändern können und, was ganz wichtig ist, sehr viele der Industrien haben sich schon auf die Vorgaben des Weissen Hauses unter Obama eingestellt. Die sind gar nicht daran interessiert, dass die Vorgaben zurückgenommen werden, weil es ihre Planungssicherheit nicht verbessert.
Man hat den Eindruck, Obama wolle sein Erbe mit Schlössern und Riegeln vor Trumps Zugriff sichern. Was glauben Sie, wird es ihm gelingen?
Ein bisschen auf jeden Fall, gerade in der Umweltpolitik. Auch in den Verhandlungen mit Iran und Kuba hat er einiges erreicht, was nicht so schnell umgedreht werden kann. Mittlerweile haben sich manifeste Wirtschaftsinteressen darauf eingestellt, etwa auf das Geschäft mit Iran. Die Gesundheitsreform ist sozusagen das Vermächtnis Nummer eins von Obama. Diesbezüglich hat Trump entgegen seinen Ankündigungen im Wahlkampf deutlich mildere Töne angeschlagen. Etwa 20 Millionen Amerikaner haben in den letzten Jahren zum ersten Mal eine Krankenversicherung erhalten. Das sind zum Teil Wähler der unteren Mittelschicht, die nicht so gut ausgebildet sind und die nicht so viel Geld verdient haben. Sie haben für Donald Trump gestimmt. Das heisst, es gibt nicht nur rechtliche, sondern ganz starke politische Gründe, die verhindern werden, dass Trump den Schalter um 180 Grad umstellt.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.