Tübingen hat eine prächtige alte Kernstadt mit vielen hübschen Cafés und lauter Velos. An der Peripherie sind die Stadtteile sehr ländlich und dort wird gerade Wahlkampf gemacht.
Er werde sich nicht davon abhalten lassen, geplante Windräder zu bauen, falls es rechtlich möglich sei, sagt der aktuelle und mögliche künftige Oberbürgermeister Boris Palmer.
Palmer nimmt sich, was er will
Er spaziert mit einer Gruppe Wählerinnen und Wähler durch Weilheim und beantwortet Fragen. Auf dem Weg an Bauernhöfen vorbei löst sich Palmer aus der Gruppe, geht auf einen Apfelbaum zu, springt in die Höhe und schnappt sich einen Apfel.
Er nimmt sich, was er will und er weiss sich zu inszenieren. Viele in Tübingen halten den Grünen Palmer längst für einen kleinen Diktator. Gremien kümmerten ihn wenig, heisst es.
Oben in der Stadt, in einem Café, kann Matthias Möhring-Hesse darüber nur den Kopf schütteln. Er ist in der Initiative gegen Boris Palmer. «Wenn ich das so sagen darf: Er ist unerträglich geworden für diese Stadt.»
Palmer ist unerträglich geworden für diese Stadt.
Nicht Palmer alleine ermögliche so viel, sondern der aussergewöhnlich hohe Grundkonsens einer aktiven Zivilgesellschaft und kompetenter Parlamentarier, sagt Möhring-Hesse.
Die Lorbeeren heimst stets Palmer ein
Palmer, der «King of Tübingen», drücke dann allem seinen Stempel auf. So geschehen etwa in der Coronazeit. Das Engagement einer Ärztin wurde zum Tübinger Weg und Palmer sei damit durch die Talkshows getingelt.
Dabei sei er selber vor zehn Jahren, als er nach Tübingen gezogen sei, von Palmer beeindruckt gewesen, sagt der Uniprofessor. «Doch nicht zuletzt aufgrund seiner vielen rassistischen Äusserungen ist er eine Unperson im öffentlichen Leben von Tübingen geworden.»
Palmer mache inzwischen in jeder Sachfrage eine Frage des Bekenntnisses zu seiner Person. «Ich halte das für sehr destruktiv», so Möhring-Hesse. Die Stimmung in der Stadt sei vergiftet.
Palmer bleibt stur
Das zeigt sich auch am Abend, als sich die Kandidierenden einzeln fürs Rathaus vorstellen. Differenzen zu Palmer gibt es praktisch nur in Stilfragen.
Boris Palmer provoziert, er äussert sich stigmatisierend über Migranten, kritisierte Fotowerbung der Deutschen Bahn wegen zu viel Diversität, äusserte sich primitiv über das Geschlechtsteil eines Schwarzen.
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Er selbst verweist stur auf die Errungenschaften der Stadt. «Überall sind wir spitze – es könnte sein, dass das etwas mit dem zu tun hat, der in den letzten 16 Jahren die Verantwortung für alles übernommen hat. Auch für das, das schiefgegangen ist», sagt Palmer bei der Veranstaltung.
Grüne sind sich uneins
Palmer wurde auch zum Problem seiner grünen Partei. Die Minderheit, die ihn unterstützt, lobt die urgrünen Ziele, die er umgesetzt hat. Dafür müsse man halt die «geschmacklosen, verbalen Entgleisungen erdulden – als Bereicherung der Debattenkultur», heisst es in einem Papier.
Doch die grüne Mehrheit verlangte ein Ausschlussverfahren des einstigen Hoffnungsträgers. Palmer liess seine Mitgliedschaft in der Partei daraufhin ruhen – zumindest für die Zeit bis nach der Oberbürgermeisterwahl. Die grüne Mehrheit ihrerseits stellte mit Ulrike Baumgärtner eine eigene Kandidatin auf. Ihr Motto: «Weniger Rambo».
Und so stellt die grüne Unistadt Tübingen am Sonntag sehr wichtige Weichen für die Zukunft. Sie wird dabei einmal mehr viel Aufmerksamkeit erhalten.