So absehbar wie der heutige Entscheid der Wada, Russland für vier Jahre von grossen Sportanlässen zu sperren, so absehbar war auch die Reaktion von Vertretern der russischen Politik. Sie erklärten, man werden den Entscheid anfechten. Damit kann die politische Elite des Landes eine unangenehme Realität noch für mehrere Wochen weiter vor sich herschieben, doch sie erweisen damit vorallem dem Nachwuchs im russischen Sport einen Bärendienst.
Athleten als Geiseln
Der Direktor der russischen Antidopingagentur, Juri Ganus, traf mit seinen Worten ins Schwarze, als er im Vorfeld des Entscheids erklärte, dass die russischen Athletinnen und Athleten zu Geiseln der Sportfunktionäre geworden seien. Auf diese seltene Stimme der Vernunft unter der neuen Leitung der Antidopingagentur scheint man in Russland an höchster Stelle nicht hören zu wollen. Stattdessen lässt man weiter wertvolle Zeit verstreichen, die dringend dafür eingesetzt werden sollte, das angerichtete Chaos aufzuarbeiten.
Unfreiwillig offenbart der russische Präsident Wladimir Putin eine seiner grössten Schwächen: Unter ihm gilt es im Kreml als Schwäche, eigene Fehler einzugestehen. Die Unfehlbarkeit staatlicher Behörden wird zur Doktrin, die blind weitergezogen wird, auch wenn die Beweislast so erdrückend ist, dass selbst das Internationale Olympische Komitee sich von Russland hinter den Kulissen nicht umstimmen lässt.
Unter den Fittichen des Kremls
Jene, unter deren Verantwortung das staatliche Dopingprogramm durchgeführt wurde und die eine Aufarbeitung aktiv verhindert haben, müssen kaum Konsequenzen fürchten. So ist der ehemalige Sportminister, der während den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Amt war, Witali Mutko, von Putin persönlich zum stellvertretenden Vorsitzenden der russischen Regierung wegbefördert worden. Ein unmissverständliches Zeichen an all jene im Land, die sich fragten, ob der Präsident die mitverantwortlichen Sportfunktionäre weiterhin schützen wird.
Die russischen Sportverbände, die nun beklagen, sie würden zu einem Opfer der Politik, liegen richtig. Doch die Verantwortung muss Russland bei sich selbst suchen. Dafür fehlt es der Politik im grössten Land der Welt an Grösse.