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Omikron in Grossbritannien Weihnachten im Lockdown? Boris Johnson im Dilemma

Der britische Gesundheitsdienst NHS ist am Anschlag. Doch strengere Massnahmen lassen auf sich warten.

Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, hat am Samstag wegen der Virusmutante Omikron den Katastrophenfall für die britische Metropole ausgerufen. Weil so viele Menschen gleichzeitig krank oder in Quarantäne sind, bestehe die Gefahr, dass die Feuerwehr, die Pflege oder andere wichtige Dienstleistungen nicht mehr funktionieren könnten.

Im Alltag sei von diesem Katastrophenfall noch nicht allzu viel zu spüren, sagt Patrik Wülser, SRF-Korrespondent für Grossbritannien. Zumindest auf der Strasse: «Die Läden sind offen, man kauft ein, die Leute spazieren in den Pärken.» Doch Omikron breitet sich in London rasant aus. Zum einen, weil es eine dicht bewohnte Stadt ist, und zum anderen, weil die Impfrate in Londons Bevölkerung nicht besonders hoch ist.

Den Kollaps verhindern – aber wie?

Der staatliche Gesundheitsdienst NHS ist am Anschlag, weiss Wülser: «Gegen sieben Millionen Menschen warten auf Routineeingriffe und Krebskranke auf Chemotherapien, weil die Spitäler überlastet sind.»

Allein im Gesundheitswesen könnte bald jede dritte Person wegen Covid-19 ausfallen, was zu weiteren massiven Engpässen führen würde. «Dies ist auch der Grund, weshalb die Verantwortlichen des NHS darauf drängen, dass dieser Kollaps möglichst mit allen Mitteln verhindert wird.»

Wer den Rednern im Parlament zuhörte, bekam den Eindruck, dass die unterschiedlichen Parteien auf verschiedenen Planeten leben.
Autor: Patrik Wülser SRF-Korrespondent in London

Ein Mittel wäre ein erneuter Lockdown. Doch strengere Corona-Massnahmen seien inzwischen zur politischen Glaubensfrage geworden, sagt Wülser. Dies spätestens, nachdem letzte Woche über 100 Konservative ihren eigenen Premier Boris Johnson im Parlament im Regen stehen gelassen hatten, als es darum ging, die Regeln zu verschärfen.

«Wer den Rednern zuhörte, bekam den Eindruck, dass die unterschiedlichen Parteien auf verschiedenen Planeten leben.» Auf der einen Seite die Opposition: Labour verlange quasi die sofortige Schliessung des öffentlichen Lebens, erklärt der Korrespondent.

Auf der anderen Seite riefen die Konservativen bei jeder noch kleinen Einschränkung der individuellen Freiheit «Nein!». «Es ist also nicht einfach für die Regierung, einen rationalen Kompromiss zu finden.»

Boris Johnson steckt im Sandwich

Wissenschaftler raten dringend zu strengeren Massnahmen, um ein grösseres Debakel zu vermeiden. Wieso Johnson dennoch zögert, ist ein grosses Thema in den britischen Presse. Man möchte wissen, was gilt jetzt, kurz vor Weihnachten? Doch: «Der Premier ist quasi eingeklemmt zwischen der Wissenschaft und den Tories.»

Die Rebellen in der eigenen Fraktion drohen mit dem Misstrauensvotum, wenn er es wagen sollte, strengere Massnahmen einzuführen. «Und es ist eben nicht ganz einfach für ihn, die Balance zu finden zwischen dem medizinisch Erforderlichen und dem eigenen politischen Überleben.»

Johnson beim Verlassen der Downing Street 10
Legende: Am Montag sagte ein konservativer Politiker gegenüber der BBC, wenn Boris Johnson nun ein zweites Mal Weihnachten absage, werde dieser das politisch nicht überleben. Keystone

Zuletzt geriet Johnson zudem in die Kritik wegen Partys mit Regierungsangestellten, die klar gegen die geltenden Corona-Massnahmen verstiessen. Der Premierminister ist deswegen politisch angeschlagen. Einige politische Beobachter schreiben, dass er eigentlich bereits auf dem Weg zum Ausgang sei, weiss Korrespondent Wülser.

Sicher ist: Mit den Weihnachtspartys, die in Westminster mitten im Lockdown gefeiert wurden, haben die Regierung viel moralische Autorität verspielt. «Viele Britinnen und Briten, die sich an die Regeln gehalten haben und selbst sterbende Angehörige im Spital nicht besuchen durften, fühlen sich betrogen», so Wülser. «Und wenn Johnson tatsächlich dieser Tage noch einmal einen Lockdown verhängen sollte, dann wird er Schwierigkeiten haben, als Vorbild aufzutreten.»

SRF 4 News, 21.12.2021, 09:35 Uhr ; 

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