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Oppositionelle freigelassen Lukaschenko sucht die Annäherung von Belarus an den Westen

Der belarussische Präsident Aleksander Lukaschenko hat in den vergangenen Tagen erneut 16 politische Gefangene begnadigt. Bereits im Juni war der bekannte Oppositionelle Sergej Tichanowski aus der Haft entlassen worden. Olga Dryndova ist Belarus-Expertin der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und bewertet diese Freilassungen.

Olga Dryndova

Belarus-Expertin

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Olga Dryndova ist Redakteurin der «Belarus-Analysen» an der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen.

SRF News: Einer der prominenten Gefangenen ist Sergej Tichanowski. Er war nach Gesprächen mit den USA freigelassen worden. Ist das ein Zeichen dafür, dass Präsident Lukaschenko seine Beziehungen zum Westen verbessern will?

Olga Dryndova: Ja, das ist definitiv eine sehr starke Nachricht vom belarussischen Regime, weil Tichanowski eine sehr symbolische Bedeutung hat, sowohl für Lukaschenko als auch für die belarussische Opposition. Diese Freilassung kam überraschend für die demokratischen Kräfte in Belarus und für die USA. Wir können davon ausgehen, dass Lukaschenko mindestens drei Ziele verfolgen könnte:

Ziel könnte die Aufhebung der diplomatischen Isolation und der westlichen Sanktionen sein.

Das erste wäre die Beendigung oder teilweise Aufhebung der diplomatischen Isolation. Das zweite könnte eine teilweise Aufhebung westlicher Sanktionen sein. Davon betroffen sind die wichtigsten Sektoren der belarussischen Wirtschaft wie Energie, Tabak, Bau oder Kalidünger. Und das Dritte: der Wunsch von Lukaschenko auf eine Wiederbelebung der Rolle von Belarus als Mediator im Krieg zwischen Russland und Ukraine. Dies war bereits der Fall zwischen 2014 und 2015 und Belarus wünscht sich eine Rolle in einer neuen Sicherheitsstruktur in Europa.

Lukaschenko ist ja ein Präsident von Wladimir Putins Gnaden. Welche Strategie verfolgt er da? 

Es könnte ein Ziel der USA sein, die totale Abhängigkeit des belarussischen Regimes von Russland zu verringern. Dies auch mit Blick auf eine mögliche Neuordnung der Sicherheitsstruktur nach dem Krieg in der Ukraine. Es gibt Abhängigkeiten von Russland auf politischer, wirtschaftlicher und sogar ideologisch-kultureller Ebene. Es hat mit der Verbreitung der sogenannten russischen Welt in Belarus zu tun, nachdem die unabhängigen Medien liquidiert worden sind. Zudem wird seit 2022 Belarus für Angriffe auf die Ukraine genutzt, sogar mit Nuklearwaffen.

Ziel der USA könnte es sein, die totale Abhängigkeit Belarus’ von Russland zu verringern.

Eine mögliche Reaktion aus Russland ist nicht so eindeutig einzuschätzen. Für Russland könnte es vorteilhaft sein, wenn das verbündete Belarus sich am Verhandlungsprozess zur Ukraine beteiligt. Allerdings ist Belarus als unabhängiger Akteur in der Beziehung mit den USA oder der EU ist für Russland momentan nicht akzeptabel.

Viele belarussische Oppositionelle sind im Exil. Welchen Einfluss hat die Exilopposition?

Die Exilopposition spielt auch fünf Jahre nach den Protesten 2020 immer noch eine Rolle. Sie kann als repräsentative Struktur gesehen werden für den pro demokratischen Teil der belarussischen Bevölkerung. Sie macht international sehr viel Lobbyarbeit und leistet Hilfe bei belarussische Strukturen im Exil. Sie kann als eine Art Demokratie-Schule angesehen werden für die Zeit nach einem Regimewechsel in Belarus.

Lukaschenko als Politiker kann die Souveränität des Landes nicht sichern.

Allerdings muss man auch eingestehen, dass deren Kapazitäten stark zurückgegangen sind. Das hat mit einer gesunkenen Finanzierung zu tun, aber auch mit dem fehlenden Interesse der internationalen Politik an Belarus. Teilweise hat das mit dem Krieg in der Ukraine und anderen Kriegen zu tun und dass es nicht zu einem Machtwechsel gekommen ist. Belarus wird einfach als Land angesehen, das sehr abhängig von Russland ist und dass Lukaschenko als Politiker nicht die Souveränität des Landes sichern kann.

Echo der Zeit, 5.7.2025, 18:00 Uhr ; 

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