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Pakistan: Glück im Unglück 15 Stunden an einem einzigen Stahlseil

Ein Seilbahnunglück in Pakistan hat am Dienstag die Nation über Stunden in Atem gehalten. Mitten auf der Strecke über eine Schlucht in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa rissen zwei der drei Seilbahn-Kabel und die Kabine stürzte in die Tiefe. Die Gondel blieb am dritten Stahlseil hängen. Zur Unfallursache gibt es bis jetzt noch keine offiziellen Angaben.

Sechs Schüler und zwei Erwachsene mussten mindestens zwölf Stunden dort ausharren. Eines der Kinder konnte nach zwölf Stunden vom Militär mit einem Helikopter aus der Kabine geholt werden. Aufgrund der einbrechenden Dunkelheit musste das Militärpersonal aber die Helikopter-Rettungsaktion abbrechen.

In Absprache mit den militärischen Rettungsdiensten konnten die restlichen Personen von Anwohnenden in Sicherheit gebracht werden. Erschwerend für die Rettungsaktion aus der Luft war, dass der Wind des Helikopters die Kabine ins Schwingen brachte. Mehr Erfolg brachte die Aktion der Anwohner, die mit Seilrutschen, sogenannten Tyroliennes, an die Gondel herankamen. Sie konnten so die restlichen Leute retten.

Technische Prüfungen existieren nicht

Peter Hornung, Korrespondent der ARD in Neu-Delhi, erklärt die Umstände dieses Unglücks: «Das sind Seilbahnen der Marke Eigenbau. Diese Bahn wurde von einem Mann aus der Gegend gebaut, sie führt über ein ganzes Tal. Technische Abnahmen wie in der Schweiz zum Beispiel existieren nicht.» Man wisse deshalb, dass viele dieser Hunderten von Anlagen in schlechtem Zustand seien.

Es gebe in Pakistan kein Bundesamt für Verkehr, das die Sicherheit von Bahnen akribisch prüfe. Dazu komme, dass in dieser Region auch die pakistanischen Taliban aktiv sind, deshalb sei auch die Provinzverwaltung schwach.

Warum die Bahn nicht gewartet worden sei, liegt für ihn denn auch auf der Hand: «Pakistan ist ein wirtschaftsschwaches Land, die Region ist strukturschwach und auch die Aufsichtsbehörden sind schwach und weit weg. Alle haben wenig Geld.» Da sei man auf Eigeninitiative angewiesen.

«Marke Eigenbau» als Schulweg

Die sechs Schüler, die in der Gondel waren, haben die Bahn als Schulweg benutzt. Das sei nicht aussergewöhnlich, auch als Arbeitsweg werden solche Installationen oft genutzt. Sie sparen viel Zeit. «Wären die Kinder auf der Strasse gefahren, hätten sie zwei Stunden gebraucht. Mit der Seilbahn dauerte das Überqueren des Tals fünf Minuten», sagt der Korrespondent.

«Marke Eigenbau» erklärt der Korrespondent so: «Die Bahnen werden von Leuten gebaut, die etwas Übung haben, aber keine Fachleute sind. Man nimmt einfach die Hilfsmittel, die gerade da sind, oft sind es Teile von Autos.» Die Komponenten würden dann zusammengeschweisst, «man kann schon sagen, das ist Pfusch, das ist improvisiert».

 «Unsere Helden»

Der pakistanische Präsident Arif Alvi forderte nach dem Unfall und der spektakulären Rettung eine «umfassende Untersuchung» aller Lifte der Region in dem südasiatischen Land.

Der geschäftsführende Premierminister Anwaarul Haq Kakar äusserte sich ähnlich. Kakar lobte den Rettungseinsatz: «Unser Militär, die Verwaltung und die lokalen Champions haben Hand in Hand der Gefahr getrotzt und ein neues Kapitel der Tapferkeit geschrieben», schrieb der Premier auf X, ehemals Twitter. «Der Geist unserer Nation erstrahlt heute am hellsten. Wir sind stolz auf unsere Helden!»

SRF 4 News, 23.8.2023, 7:20 Uhr ; 

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