In Klong Toey ist die Luft stickig heiss und der Wohnraum so knapp, dass sich das Leben in den engen Gassen abspielt: Dort schneidet ein Mann einem anderen die Haare, ein Kind schreit nach seiner Mutter, eine Frau wäscht ihre Kleider. Soziale Distanz ist hier undenkbar. Deshalb hat sich das Virus in den vergangenen Wochen in Windeseile unter den 100'000 Bewohnern von Klong Toey verbreitet. Laut Regierung ist dieses grösste Armenviertel von Bangkok einer der schlimmsten Corona-Hotspots des Landes.
Auch die Gemüseverkäuferin Soonthari Wangsue hat es erwischt: «Zuerst wurde meine Tochter krank. Um die übrige Familie zu schützen, schlief sie dann in einem Zelt im Zimmer, und trotzdem infizierten wir uns alle.» Die gesamte Familie musste daraufhin zehn Tage in ein improvisiertes Spital, jetzt ist sie zurück. Das Virus hätten sie überlebt, aber Geld würden sie keines mehr verdienen, sagt die Gemüseverkäuferin. Der Markt, die Läden und Restaurants sind seit Wochen geschlossen. Doch Hilfe der Regierung gibt es nicht.
Hilfe kommt von Leuten, wie Pipat Kornmek. Er besitzt einen Laden in Klong Toey, der ebenfalls zu ist. Eingehüllt in einen weissen Plastikanzug, geschützt mit Sonnenbrille, Maske und Hut fährt er seit Tagen mit seinem Motorrad durch das Armenviertel und verteilt Pakete an die Kranken. Jeder müsse mithelfen, das Virus zu besiegen, sagt er:
«Ich bringe Essen und Medizin. Wenn es Corona-Patienten sehr schlecht geht und sie nicht mehr richtig atmen können, suche ich eine Ambulanz, die sie in eines der improvisierten Spitäler bringt. Das Problem ist jedoch, dass alle voll sind.»
Was in Klong Toey passiere, widerspiegle im Kleinen die grosse Ungerechtigkeit im ganzen Land, sagen Regierungskritiker. Denn während das Virus von den Reichen aus dem Ausland eingeschleppt und in den teuren Bars von Bangkok verbreitet wurde, sind nun die Armen, am schlimmsten davon betroffen.
So sind die aktuellen Corona-Hotspots laut Regierungsstatistiken Wohngebiete von Bauarbeitern, Hilfskräften und Strassenhändlern. Orte, an denen die Menschen dicht gedrängt wohnen und tagsüber in den reicheren Wohngegenden ihr Geld verdienen. Sie alle können sich keine teuren Privatspitäler leisten und auch keinen Arbeitsausfall. Sie alle überleben nur dank Spenden.
In einer ehemaligen Lagerhalle von Klong Toey hat die Regierung endlich Mitte Mai ein Impfzentrum eingerichtet – eines der ersten in Bangkok. Einige Hundert Personen warten an diesem Morgen geduldig, bis sie an der Reihe sind. Während zweier Wochen sollen hier 20'000 Personen gegen Corona geimpft werden.
«Zu wenige Dosen, zu spät verabreicht, zu schlecht koordiniert», kritisiert Prateep Ungsongtham Hata die Bemühungen der Regierung. Die 70-jährige Thailänderin führt seit Jahrzehnten eine Organisation, die sich um die Armen in Klong Toey kümmert: «Die Regierung weiss nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen soll. Hätte sie bereits im Januar zu impfen begonnen, dann hätten wir das Problem jetzt nicht.»
Dass es mit Impfen in Thailand nicht vorwärts ging, erklärt sich damit, dass die Regierung zuerst ausschliesslich auf die Produktion von Impfdosen im eigenen Land setzte. Dabei wurde der Auftrag an ein Unternehmen vergeben, das dem König gehört, das jedoch noch nie Impfstoffe hergestellt hatte. Als ein bekannter Oppositionspolitiker dieses undurchsichtige Geschäft kritisierte, wurde er wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Inzwischen hat die Regierung sechs Millionen Dosen importiert. In einem Land mit 66 Millionen ist das wenig.