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Papstwahl Der Vatikan sucht den Superpapst

Darf der Papst fehlbar sein? Ja. Seit Benedikts Rücktritt wird der Vertreter von Jesus Christus auf Erden auch als Mensch wahrgenommen. Die Aufgabe, die vor ihm liegt, wirkt dennoch übermenschlich. Er muss die Spaltung der Katholischen Kirche verhindern.

Die Hand von Papst Benedikt XVI. winkt aus einem Autofenster
Legende: Er winkt zum Abschied: Papst Benedikts Rücktritt ist eine schwere Bürde für die zukünftige Ausübung des Papstamtes. Keystone

Papst Benedikt XVI. ist nun Teil der Geschichte. Auch sein Rücktritt schreibt Geschichte. Der erste freiwillige Abgang eines Papstes seit über 700 Jahren könnte die Wahrnehmung des Amtes von Jesu Stellvertreter auf Erden grundlegend ändern.

Judith Hardegger, Theologin und Redaktorin bei SRF Sternstunden, bewertet die Entscheidung Benedikts als «grossartigen Präzedenzfall». «Es macht das Amt menschlicher und weltlicher», sagt sie.

Was aber, wenn in Zukunft Rücktrittsforderungen an den Papst zur Tagesordnung werden? Wenn der Stuhl Petri genauso wackelt wie ein Regierungssitz?

Das Konklave

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Das Konklave wählt den Papst. Es findet 15 bis 20 Tage nach dem Tod oder Rücktritt eines Papstes hinter verschlossenen Türen statt. Papst Benedikt hat die Regeln so modifizert, dass die Wahl auch früher stattfinden kann. Wahlberechtigt sind die Kardinäle. Erst wenn ein Kandidat eine Zweidrittelmehrheit auf sich vereint, ist ein neuer Papst gewählt.

Die Theologin Eva-Maria Faber von der Theologischen Hochschule Chur sagt zu «SRF News Online»: «Bereits während des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. hat es Rücktrittsforderungen mit Hinweis auf Alter und Krankheit des Papstes gegeben. Und im Kontext der Missbrauchsskandale wurden Forderungen laut, Papst Benedikt XVI. solle zurücktreten.» Das Phänomen sei insofern nicht neu.

Multitalent gesucht   

Rücktrittsforderungen, Vatileaks, Missbrauchsskandale, Modernisierungsdruck – der nächste Papst steht schwierigen Aufgaben gegenüber. Der Ruf nach einem führungsstarken Papst wird lauter. Gesucht: der Anti-Benedikt.

Ein deutscher Kardinal drückt es im Magazin «Spiegel» so aus: «Ein Papst kann Theologe sein oder Seelsorger oder Feldherr. Um die Weltkirche zu leiten, bedarf es eines Feldherrn.»

Judith Hardegger mag es weniger martialisch. «Theologe muss er auf jeden Fall sein, Seelsorger unbedingt, Feldherr nicht unbedingt, aber Politiker – eine Quadratur des Kreises.» Auch Eva-Maria Faber hofft auf einen Papst mit pragmatischen Talenten. Er soll einen Sinn für die strukturellen Aufgaben und die politische Dimension des eigenen Amtes haben.

Spaltung der Kirche droht

Das Ergebnis der Papstwahl wird wohl auch über die Existenz der Katholischen Kirche in ihrer jetzigen Form entscheiden. Der Mitgliederschwund in Europa ist dramatisch. Liberale Gläubige stellen in Basisbewegungen die Sexualmoral des Vatikans in Frage. Und immer nachdrücklicher erklingt die Forderung, Frauen den Zugang zu katholischen Kirchenämtern zu ermöglichen.

Die Mitglieder dieser Basisbewegungen «gehen nicht mehr zurück in den Schoss der Kirche», glaubt Hardegger. Sie ergänzt: «Ich würde nicht ausschliessen, dass diese Entwicklung am Ende zur Spaltung führt.» Sie spricht vom Schisma, der Spaltung innerhalb einer Glaubensgemeinschaft.

Weltweit steigt die Zahl der Katholiken

In Europa geht die Zahl der Kirchenmitglieder zwar zurück. Aber weltweit wächst sie. Knapp zwei Milliarden Katholiken gibt es laut dem Jahrbuch des Vatikans von 2010 – ein Zuwachs von zwanzig Prozent innert zehn Jahren. In Afrika hat die Zahl der katholischen Kirchenmitglieder in diesem Zeitraum gar um 33 Prozent zugenommen.

Nicht nur bei den Mitgliederzahlen, auch in anderer Hinsicht geht der Trend auseinander. Aus Afrika kommen eher konservative Kräfte, die Europäer geben sich liberaler.

Würde ein afrikanischer Papst dennoch für Modernisierung und Öffnung der Katholischen Kirche stehen? Judith Hardegger zweifelt daran. «Auf den ersten Blick sähe ein schwarzer Papst nach Öffnung aus. Bezüglich gesellschaftlicher Fragen würde ich eher einen Rückschritt befürchten.»

Wer auch immer der nächste Papst sein wird, er wird sich im wahrsten Sinne als Pontifex, also Brückenbauer, zwischen den theologischen Lagern beweisen müssen.

Die Last des Amtes

Benedikts Pontifikat hat eines gezeigt: Es ist nicht leicht, Papst zu sein. Die Erwartungen an das Amt scheinen übermenschlich. Eva-Maria Faber sieht es deshalb als wichtige Aufgabe, «den Petrusdienst vor Überforderung zu bewahren». Sollte dies nicht geschehen, werden bis zum nächsten Rücktritt eines Papstes wohl keine 700 Jahre vergehen. Benedikt sei Dank.

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