- Waffen faszinieren junge Männer fast auf der ganzen Welt. So auch in der Slowakei – wobei hier die Faszination durchaus als beunruhigend bezeichnet werden darf.
- Paramilitärische Verbände halten dort regelmässig Übungen ab, zum Beispiel in Nahkampf oder im Umgang mit Giftstoffen.
- Ideologisch verbindet die Mitglieder ein Misstrauen gegenüber der liberalen Gesellschaft, politisch stehen sie Moskau näher als der Nato.
Peter Svrcek sieht nicht aus wie ein gefährlicher Junge. Er ist Vorsitzender der «Slovenski Branci», der slowakischen Einberufenen, wie sich die Paramilitärs nennen. Svrcek trägt ein weisses Hemd, kurze Strähnen hängen in ein kindliches Gesicht. Er studiert Archäologie, ist 21 Jahre alt, und unzufrieden mit seiner Generation.
«Wir stellen einen Niedergang fest, speziell bei den jungen Leuten», Svrcek. Er hat den ältesten seiner Truppe mitgebracht, den 38-jährigen Filip Razga. Auch dieser klagt über die Jungen: «Sie sind sehr liberal geworden und wollen nur noch Partys feiern.»
Razga sieht so aus, wie man sich einen Hobbykrieger vorstellt: kahlgeschoren, Totenkopf-Tattoo auf dem Unterarm. Als Chemiker forscht er für die slowakische Akademie der Wissenschaften nach Mitteln gegen Krebs. Der gesellschaftliche Niedergang fing seines Erachtens nach 1989 an:
Der drastische Übergang vom Kommunismus in den Kapitalismus war für viele eine Überforderung. Der Einfluss des Westens auf unsere Gesellschaft ist seither stark. Die Jungen konsumieren die Mainstreammedien und bewundern den dort propagierten Lebensstil.
Nato-Skeptiker und Russland-Romantiker
Die führenden Köpfe der Branci zweifeln an der liberalen und geopolitisch westlichen Ausrichtung der Slowakei. Sie zweifeln aber auch an der Nato-Mitgliedschaft: «Das ist eine kontroverse Frage. Die Gründungsidee eines Verteidigungsbündnisses mag gut gewesen sein. Aber ich bin gegen jede Intervention von Staaten in anderen Staaten», sagt Razga.
Handkehrum lassen sich die Branci auf russische Partner ein. Svrcek zum Beispiel absolvierte eine Ausbildung bei Kosaken, russischen Paramilitärs: «Aber deswegen bin ich nicht zum Russlandfreund geworden.» Insider sagen, die führenden Köpfe dächten alle pro-russisch.
Und wie bei jedem solchen Verband, gibt es auch bei den Branci immer mal wieder Ärger mit Mitgliedern, die ihren Rechtsradikalismus zur Schau stellen und ausgeschlossen werden müssen. Doch Svrcek relativiert: «Wie viele es schon waren, ist schwer zu sagen, vielleicht etwa 10. Aber faschistische Ideale haben bei uns nichts zu suchen.»
Kampf gegen einen unsichtbaren Feind
Offiziell sind die Branci ein politisch neutraler Verband mit breitem gesellschaftlichen Engagement. Tatsächlich räumen die Mitglieder auch mal eine wilde Deponie in einem Wald, oder sie frischen ein historisches Denkmal auf. Im Zentrum stehen aber klar die paramilitärischen Übungen: Nahkampf, Truppenvorstoss in Wald und Feld, Waffentraining.
Bleibt die Frage, auf welche Gefahren die Branci sich vorbereiten. Die Antwort fällt, wie so oft in diesem Gespräch, eher diffus aus:
Es geht vor allem um Selbstverteidigung. Um den Schutz des Eigentums, des eigenen Hauses, um meine Familie, meine Strasse, mein Dorf, meine Stadt.
Das klingt harmlos. 200 aktive Mitglieder zählen die Branci nach eigenen Angaben. 200 junge Männer mit einem starken Bedürfnis nach Ordnung und Orientierung, die ihre Freizeit mit patriotischen Aktionen und Waffenübungen verbringen.
Verbindungen zu den Sicherheitskräften
Doch von allen solchen Verbänden seien die Branci die am wenigsten gefährlichen, sagt der Sicherheitsexperte und Journalist Radovan Branik. Er beobachtet die Paramilitärs in der Slowakei schon seit sieben Jahren. Einige Verbände hätten abhörsichere Kommunikationskanäle aufgebaut. Einige seien offen pro-russisch und anti-westlich.
Einige, auch die Branci, verfügten über gute Beziehungen zur slowakischen Polizei und Armee. Und: «16 bis 18 Prozent der Armeeangehörigen sympathisieren laut einer Untersuchung derzeit mit der Idee eines Putsches in der Slowakei, und bei der Polizei ist es ähnlich», sagt Branik.
Zwar sind die Feinde der liberalen Demokratie eher in tieferen Rängen zu finden und nicht an der Spitze. Dennoch sind 18 Prozent beunruhigend. Und womöglich helfen Armeeangehörige den Paramilitärs gar bei der Waffenbeschaffung. Branik hat diesen Frühling mit Kollegen aufgedeckt, dass in einem Waffenlager 11 Panzerfäuste und 80 Handgranaten wegkamen.
Die Diebe hätten das Material mit einem Lastwagen abtransportiert, sagt Branik: «Die kamen ohne Weiteres rein und konnten wieder rausfahren, ohne jede Gewalt.» Kommt hinzu, dass die slowakische Armee keine genaue Übersicht hat über die Bestände in ihren Waffenlagern. Und dass sie schon in den 1990er-Jahren 60'000 Maschinengewehre loswerden wollte und Privatleuten verkaufte.
Offiziell wurden die Waffen zwar entschärft. «Aber für 70 Euro liess sich jemand finden, der die Waffen in einer halben Stunde wieder scharfmachte», so Branik. Wie oft das geschah, weiss niemand. Auch wo die Waffen sind, lässt sich nicht sagen. Branik vermutet, die meisten seien noch in der Slowakei. Doch die Terroristen, die 2015 auf der Redaktion der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» ein Massaker anrichteten, benutzten solche slowakischen Gewehre.
Ein gefährlicher Cocktail
Wenn man das alles zusammenzählt: Die Waffen, die 1000 bis 2000 Paramilitärs mit ihren mehr oder weniger extremen Überzeugungen und ihre guten Beziehungen zu Polizei- und Armeeangehörigen – dann zeigt sich: Die Zutaten für einen Putschversuch da wären.
«Einige Verbände haben sich in den letzten Jahren radikalisiert», warnt Blanik. Vor allem die Veteranenverbände hält er für gefährlich. Was die von Gewalttaten abhält, ist eine nach wie vor offene, liberale und EU-freundliche Grundstimmung in der Gesellschaft. Doch die kann kippen.
Pro-russische Desinformationsmedien sind in der Slowakei derzeit sehr aktiv. Und ein Viertel der Bevölkerung wünscht sich laut Umfragen bereits autoritärere Verhältnisse.