Die Pariser Müllmänner und -frauen sind es sich gewohnt, dass sie oft gar nicht wahrgenommen werden. Dabei sind sie gerade jetzt während der Olympischen Spiele von morgens fünf Uhr bis drei Uhr in der Nacht unterwegs. Sie kehren zusammen, was andere hinterlassen haben.
Der bekannteste Müllmann von Paris
Einer von ihnen ist Ludovic Franceschet. Mit Greifzange, Besen und einer grossen Schaufel steuert er seinen Wagen schnellen Schrittes durch die Pariser Strassen.
Ludovic liest da ein Taschentuch vom Boden auf, packt dort eine achtlos weggeworfene Bierbüchse, macht sich einen Spass daraus, sie in die Höhe zu werfen, um sie mit seinem Wagen aufzufangen – und er wird von Passantinnen und Passanten immer wieder erkannt.
Ein Botschafter der Sauberkeit
Ludovic ist Müllmann aus Leidenschaft. Stolz und glücklich über seine Arbeit, wie er sagt. Und er ist der wohl bekannteste Strassenreiniger Frankreichs. Rund 600'000 Menschen folgen ihm in den sozialen Medien.
Dort hat er vor ein paar Jahren begonnen, Einblick zu geben in die Arbeit derer, die den Abfall der anderen wegräumen. Ludovic der Influencer, der Botschafter der Sauberkeit.
Ich versuche die Leute dazu zu bringen, meinen Kollegen danke zu sagen.
«Ich versuche, die Unsichtbaren sichtbar zu machen und die Leute dazu zu bringen, meinen Kollegen danke zu sagen», erklärt Ludovic. Er tut dies mit viel Humor und eloquent. Seine klare Botschaft: «Jetez à la poubelle» – werft euren Abfall in den Müll! Und nicht auf die Strasse.
«Wir sind alle Akteure – wir sind alle betroffen, wenn es um Sauberkeit geht. Egal, aus welcher Schicht wir kommen: Der Abfall gehört in den Kübel. Punkt. Da gibt es nichts zu diskutieren», sagt Ludovic bestimmt.
Einst war Ludovic obdachlos
Erst vor wenigen Minuten habe ihn ein junger Mann erkannt. «Wenn er mich sieht, denkt er sofort: ‹Ah, der Müllmann – stimmt: Der Abfall gehört in den Kübel.› Das nenne ich sensibilisieren», sagt Ludovic.
Volle Abfallkübel leeren, Abflussgitter von Unrat befreien, weggeworfene Metrobillette vom Boden klauben – Ludovic reinigt heute die Strassen, auf denen er einst als Obdachloser lebte.
Vor rund einem Jahr reiste er von Paris nach Marseille und sammelte auf dem Weg, zusammen mit einem Team aus Followern und Fans, 14 Tonnen Abfall an den Strassenrändern zusammen.
Es ist ein grosse Glück für uns, dass wir Ludovic haben.
Einer wie Ludovic Franceschet ist ein Segen für die Pariser Stadtbehörden. «Er verbreitet seine Botschaft zu Abfall, Umwelt und Sauberkeit mit einer Kraft, die uns als Behörde in dieser Form abgeht», sagt Mathieu Seignez vom zuständigen Amt.
«Weil man unsere Leute immer als Teil der Verwaltung wahrnimmt, ist es für uns ein grosses Glück, dass wir Ludovic haben.»
Er gebe auch den anderen Mitarbeitenden der Stadtreinigung ein Gesicht, sagt Seignez. «Sie sind zwar überall sichtbar, werden aber meist übersehen.»
Ludovic hat nur einen Wunsch: Abfall in den Kübel, bitte
Wenn er abends heimkomme, setze er sich manchmal aufs Sofa, sagt Ludovic. Dann denke er: Und was, wenn wir das nicht hinkriegen? «Manchmal muss ich dann weinen, weil ich so sehr davon beseelt bin, den Planeten sauber zu halten. Manchmal fühle ich mich hilflos.»
Zu seinem 49. Geburtstag am 10. August hat er nur einen Wunsch: «Bitte werfen Sie ihren Abfall in den Kübel.»