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Parlamentswahl in Libanon Schiitenmiliz Hisbollah geht als Siegerin hervor

Das Wichtigste in Kürze

  • In Libanon haben die ersten Parlamentswahlen seit neun Jahren stattgefunden. Die Schiitenmiliz Hisbollah hat gemäss eigenen Angaben 71 der 128 zu besetzenden Sitze errungen.
  • Gleichzeitig erreichte das Bündnis von Ministerpräsident Saad Hariri nach eigenen Angaben nur 21 von 128 Mandaten.
  • Die Wahlbeteiligung bleibt hinter den Erwartungen zurück. Laut Innenministerium betrug sie 49,2 Prozent, in Teilen der Hauptstadt Beirut sogar nur 40 Prozent.

Der Frieden im Libanon steht auf wackeligen Beinen. Die libanesischen Politiker hatten gehofft, dass das neue proportionale Wahlrecht anstelle des Majorz-Systems mehr Leute an die Urne locken würde. Ihr Kalkül ist nicht aufgegangen. Es gilt aber nach wie vor ein Verteilschlüssel für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen des Landes, die Christen, die Sunniten, die Schiiten und die Drusen.

«Die Politikverdrossenheit sitzt tief»

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Die tiefe Wahlbeteiligung in Libanon führt SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann auf einen «tiefsitzenden Politikverdruss» zurück.

«Das kleine Mittelmeerland wird auch eine Generation nach dem Bürgerkrieg von konfessionellen Eliten regiert, die vor allem auf ihren eigenen Vorteil und jenen ihrer Klientel bedacht sind. Darunter sind Business-Tycoons und ehemalige Warlords und deren Söhne. Viele gelten als schwer korrupt. Die Infrastruktur und der öffentliche Dienst sind in desolatem Zustand. Daran ändern diese Wahlen nichts. Und das hat offensichtlich viele Libanesinnen und Libanesen zum grundsätzlichen Protest bewogen, indem sie erst gar nicht zur Wahl zu gingen.»

Die vom Iran unterstützte Hisbollah und mit ihnen verbündete Gruppen wie die christliche Freie Patriotische Bewegung errangen eigenen Angaben zufolge 71 der 128 Sitze. «Wir können sagen, dass das, was wir anstrebten, erreicht wurde», sagte Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah. Das Ergebnis sei eine Garantie für die Stabilität des Landes.

Es wurde bereits vorher angenommen, dass die vom Iran unterstützte Hisbollah in den meisten Wahlbezirken, in denen sie Kandidaten aufstellt, gewinnen würde. Die Macht der Schiitenmiliz und der damit einhergehende Einfluss Teherans auf die Region hatte in der Vergangenheit zu starken Spannungen mit der Regionalmacht Saudi-Arabien geführt, die jeglichen Einfluss seines Erzrivalen Iran in der Region zurückdrängen will. Hariri hat enge Beziehungen nach Riad.

Gleichzeitig erreichte Premier Hariris Bündnis bei der ersten Wahl zum Abgeordnetenhaus seit neun Jahren nach eigenen Angaben nur 21 Mandate. Das ist etwa ein Drittel weniger als die 33 Sitze seiner Koalition 2009. «Wir hatten gehofft, ein besseres Resultat und einen grösseren Block zu erzielen», sagte Hariri in Beirut.

Er kündigte an, mit allen Parteien zusammenarbeiten zu wollen, um die politische Stabilität im Land zu erhalten. Da der Regierungschef im Libanon ein Sunnit sein muss, scheint Hariri aber trotz des schlechten Ergebnisses ein Kandidat, um eine neue Regierung zu bilden.

Konfessionelle Quoten für höchste Ämter

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Die politischen Institutionen im multikonfessionellen Kleinstaat Libanon sind proportional nach Volksgruppen aufgeteilt. Seit dem Ende des Bürgerkriegs (1975–1990) gilt dafür ein neuer Schlüssel. Er beschneidet die traditionelle Vormacht der Christen im «Zedernstaat» und trägt dem grösseren politischen und demografischen Gewicht der muslimischen Konfessionen ein Stück weit Rechnung. Das Staatspräsidium allerdings bleibt den maronitischen Christen vorbehalten, während der Premierminister gemäss dem Schlüssel stets ein sunnitischer Muslim, der Präsident des Parlaments stets ein schiitischer Muslim sein muss.

Die Abstimmung fand zudem unter dem Einfluss des Krieges im Nachbarland Syrien statt. Der Libanon hat rund 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen - bei 6,2 Millionen Einwohnern. Die soziale und wirtschaftliche Lage in dem Mittelmeerstaat ist dadurch stark beeinflusst. Angesichts der politischen Krisen hatte das Parlament sein 2013 abgelaufenes Mandat mehrfach eigenständig verlängert.

Ein Erstarken der Hisbollah wird vor allem südlichen Nachbarland Israel als Bedrohung verstanden. Die Partei mit ihrer schwerbewaffneten Miliz gilt als Aussenposten Irans und wird auch von den USA als Terrororganisation bezeichnet.

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