Am Sonntag finden in Albanien Parlamentswahlen statt. Die stärkste Fraktion wird dabei die nächsten vier Jahre den Ministerpräsidenten stellen. Die Mehrheit der Albaner und Albanerinnen sieht in der mangelhaften Gesundheitsversorgung und den steigenden Lebenskosten die dringendsten Probleme. Doch im Wahlkampf dominieren andere Themen.
Wie ist die Ausgangslage vor der Wahl?
Zwölf Jahre ist Edi Rama bereits Premierminister Albaniens. Seit dem Ende des Kommunismus stand niemand so lange an der Spitze des kleinen Balkanstaates. Am Sonntag dürften nochmals vier weitere Jahre dazu kommen. Edi Rama und seine sozialistische Partei führen in allen Umfragen deutlich vor der Konkurrenz.
Wie ist seine bisherige Bilanz?
In den letzten Jahren gab es einen Wirtschaftsaufschwung, der vor allem auf den Tourismusboom im Land zurückzuführen ist. Das Mittelmeerland verzeichnet jedes Jahr neue Besucherrekorde. Auch ist es auf dem Weg in Richtung EU vorwärtsgegangen. Anfang Jahr wurden die ersten Kapitel in den Beitrittsverhandlungen eröffnet. Doch dann gibt es auch die andere Seite: Korruptionsfälle aus Edi Ramas direktem Umfeld werfen ein schlechtes Licht auf ihn und seine Partei. Zuletzt traf es im Februar den Stadtpräsidenten der Hauptstadt Tirana – er galt als möglicher Nachfolger Ramas. Kritiker und Kritikerinnen werfen ihm zudem einen zunehmend autoritären Regierungsstil vor.
Wieso gelingt es der Opposition nicht, Edi Rama mehr herauszufordern?
Die einzige grosse Oppositionspartei, die Demokratische Partei, geht geschwächt in die Wahlen. Das hat mit ihrem Vorsitzenden Sali Berisha zu tun, der die Partei seit über 30 Jahren dominiert. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen Korruption und Geldwäscherei. Er verbrachte deshalb mehrere Monate im Hausarrest. Zudem haben die USA Sanktionen gegen ihn verhängt. Seine Person ist auch in der eigenen Partei nicht unumstritten: Es kam zu einer Spaltung. Neu treten bei diesen Wahlen mehrere neu gegründete Kleinparteien an. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle diese spielen werden.
Was sind die Folgen des politischen Stilstandes?
Laut Umfragen geniesst keine Organisation oder Partei ein so hohes Vertrauen wie die Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption. Die Wahlbeteiligung ist rückläufig. Beides sind Indizien für ein zunehmendes Misstrauen gegenüber den grossen Parteien. Albanien hat seit dem Ende des Kommunismus de facto ein Zweiparteiensystem. Das Land wird seit Jahren von denselben Politikern dominiert. Die Auseinandersetzungen sind gehässig. Ein frischer Wind würde dem Politbetrieb daher guttun.
Was verspricht Edi Rama für seine weitere Amtszeit?
Er setzt voll auf die Aussicht einer EU-Mitgliedschaft bis ins Jahr 2030, und dass er der Einzige ist, der dies liefern kann. Die Zustimmungswerte für einen EU-Beitritt sind in keinem Land auf dem Westbalkan so hoch wie in Albanien, wo sich in Umfragen jeweils über 90 Prozent der Befragten dafür aussprechen. Ob ein Beitritt bis 2030 gelingen kann, ist umstritten. Zwar gibt es positive Signale vonseiten EU. Doch der frühere Verhandlungsführer Albaniens bezeichnete dieses Ziel als illusorisch.