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Parlamentswahlen EU-freundliche Partei gewinnt Wahl in Montenegro

  • Die neue, reformorientierte Bewegung «Europa Jetzt!» hat die vorgezogene Parlamentswahl in Montenegro gewonnen.
  • Nach Auszählung fast aller Wahllokale kam sie auf 26 Prozent der Stimmen und damit auf 24 von 81 Mandaten.
  • Zweitstärkste Kraft wurde die ehemalige Präsidentenpartei DPS. Sie bekam 23 Prozent der Stimmen.

Nach der Abwahl des lange regierenden prowestlichen Präsidenten Milo Djukanovic im April und dem rapiden Aufstieg von «Europa Jetzt!» (PES) wird die Macht im kleinen Balkan- und Nato-Land nun neu verteilt. Die Zahlen veröffentlichte das Wahlforschungsinstitut CDT in Podgorica.

Der erst 35-jährige PES-Spitzenkandidat Milojko Spajic erhob noch in der Wahlnacht den Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten. «Es ist offensichtlich, dass wir die neue proeuropäische Regierung bilden werden», sagte er an einer Medienkonferenz in Podgorica.

Regieren mit einem Partner

Um künftig regieren zu können, wird Spajic Partner brauchen. Dafür kämen wohl zwei proserbische Wahlallianzen sowie die Volksgruppen-Parteien der Bosniaken, Albaner und Kroaten infrage. Eine Koalition mit der DPS, die unter Djukanovic gut 30 Jahre lang die Politik in Montenegro bestimmt hatte, hat Spajic ausgeschlossen.

Das sagt SRF-Balkanspezialist Janis Fahrländer

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Die Partei PES gibt es erst seit einigen Monaten – sie ist bislang erst ein Versprechen für eine bessere politische Zukunft und lebt vom Ruf der frischen Kraft. Im politischen Alltag muss sie sich allerdings erst noch bewähren. Sie setzt vor allem auf die Wirtschaft, was bei den Wählerinnen und Wählern offenbar gut angekommen ist. Inflation und Staatsverschuldung sind hoch in Montenegro. Aussenpolitisch will die PES den Beitrittsprozess mit der EU wieder beschleunigen und dafür nötige Reformen voranbringen. Doch auch zum grossen Nachbarn Serbien werden gute Beziehungen angestrebt.

«Europa Jetzt!» war als Favoritin in die Wahl gegangen. Die neue Partei gibt sich modernisierungsfreudig und will das Land in die EU führen. Zugleich steht sie aber auch für eine stärkere Anlehnung an das Nachbarland Serbien.

PES stellt auch den Präsidenten

Mit Jakov Milatovic (36) stellt sie bereits das neue Staatsoberhaupt. Bei der Präsidentenwahl im April hatte er Djukanovic deutlich geschlagen. Dieser hatte das Land 2006 in die Unabhängigkeit von Serbien und 2017 in die Nato geführt. Zugleich stand er wegen Korruption und Misswirtschaft in der Kritik.

Die Wahlbeteiligung lag den Angaben der Wahlforscher zufolge bei 56 Prozent. Sie lag damit deutlich unter den Erwartungen.

Djukanovics Machtverlust beginnt 2020

Djukanovic bestimmte seit dem Zerfall Jugoslawiens in wechselnden Funktionen die Politik in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. Der Machtverlust des Langzeitherrschers Djukanovic begann 2020, als seine DPS und ihre Partner bei Wahlen erstmals die Parlamentsmehrheit verfehlten.

Die nachfolgenden mehrheitlich proserbischen Regierungen erwiesen sich als instabil, weshalb es nun zu den vorgezogenen Wahlen kommt.

Montenegro ist weitgehend von Tourismuseinnahmen abhängig. Das Land mit rund 620'000 Einwohnerinnen und Einwohnern gehört zu den sechs Westbalkanstaaten, die in die EU streben. Die Bevölkerung ist gespalten: Während sich die Mitglieder einer Bevölkerungsgruppe als Montenegriner und Montenegrinerinnen betrachten, sehen sich andere als Serben.

SRF4 News, 12.6.2023, 06:00 Uhr ; 

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