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Parteitag in Manchester Kann sich noch jemand an die Tories erinnern?

Die Tories waren einst die staatstragende Partei. Mittlerweile sind sie in der Auflösung begriffen. Die konservative Partei hat sich von ihrer Niederlage vor einem Jahr bis heute nicht erholt. Ihre Umfragewerte bewegen sich im unterirdischen Bereich. Bedrängt von links und von rechts kämpfen die Tories um ihr politisches Überleben. Vor halbleeren Rängen versucht Oppositionschefin Kemi Badenoch, die Tories an der diesjährigen Parteikonferenz in Manchester als politische Kraft zu reanimieren.

Nigel Farage sitzt den Tories im Nacken

Die Atmosphäre erinnert eher an ein Museum als an eine Parteikonferenz. In der Kongresshalle in Manchester sind in Vitrinen Kleidungsstücke von Margaret Thatcher ausgestellt, die in diesen Tagen hundert Jahre alt geworden wäre. Mittels künstlicher Intelligenz können die Parteimitglieder der «Eisernen Lady» sogar Fragen stellen. Die Installation wirkt wie ein Ritual einer verlorenen Stammesgruppe, die im Tal der Finsternis ihre Ahnen um Hilfe anruft.

Grosser Konferenzraum mit Publikum und Bühne.
Legende: Das Interesse am Parteitag in Manchester hielt sich zuweilen in Grenzen. EPA / ADAM VAUGHAN

«Weiss noch jemand, wer die Tories waren?», fragte Premierminister Keir Starmer unlängst in seiner Parteitagsrede süffisant. Die konservative Partei, die das Vereinigte Königreich in den vergangenen 100 Jahren mehrheitlich regiert und Figuren wie Winston Churchill hervorgebracht hat, ist heute für viele eine Lachnummer.

Vor gut einem Jahr wurden die Tories von Labour aus dem Amt gefegt. Seither befindet sich die Partei in einer Art posttraumatischem Schockzustand. Fast wöchentlich verlässt ein prominentes Parteimitglied das sinkende Schiff. Bedrängt von Nigel Farage, der mit seiner «Reform UK»-Partei zum Magneten für die Enttäuschten, Frustrierten und Verärgerten wurde, schielt Oppositionschefin Kemi Badenoch nach rechts und versucht der Partei neues Leben einzuhauchen.

Die Umfragewerte sinken und sinken

Sie stehe für eine starke Wirtschaft und stärkere Grenzen. Für ein Land, in dem Junge ihr Potenzial ausschöpfen und Alte in Würde leben könnten. Sie will, sollte sie dereinst Premierministerin werden, die Steuern senken, befürwortet einen Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und möchte jährlich 150'000 Personen ausschaffen, die sich irregulär in Grossbritannien aufhalten. Doch dieser Kurs birgt Risiken. Gerade die liberaleren Kräfte innerhalb der Partei stossen sich an solchen Plänen. So besteht die Gefahr, dass sich die konservative Wählerschaft weiter spaltet, anstatt sich hinter Badenoch zu vereinen.

Badenoch spricht von einem Podium – hinter ihr ist ein Union Jack zu sehen
Legende: Vorsitzende Kemi Badenoch versucht am Parteikongress in Manchester, die Tories aus dem politischen Koma zu holen. IMAGO / Rasid Necati Aslim

Es war der erste Parteitag der neuen Tory-Chefin, und es könnte auch ihr letzter sein. Parteikonferenzen sind Parallelveranstaltungen. Es gibt einen öffentlichen Teil, wo man artig applaudiert. Im nicht öffentlichen Teil wird jedoch bereits über eine allfällige Nachfolge von Badenoch spekuliert. Die Parteikonferenz politisch zu überleben, genügt deshalb nicht. Entscheidend ist die Frage, wer den Tories überhaupt noch zuhört. Nicht mehr allzu viele. Gemäss Umfragen glauben gerade mal elf Prozent der Wählerinnen und Wähler noch daran, dass die Tories fähig sind, Grossbritannien je wieder zu regieren.

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Echo der Zeit, 8.10.2025, 18 Uhr; sten

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