Es war um neun Uhr abends in einem Parkhaus, als auf dem Telefon von Emilia Sercan eine Textnachricht aufploppte: «Wir bringen dich um, wenn du weitermachst.» Schockiert wandte sich die Journalistin an die Polizei.
Nun ruft ihr Anwalt ständig an, weil bald der Prozess beginnt. Rumäniens Antikorruptionsbehörde hat herausgefunden, dass wohl ein Polizist hinter der Morddrohung steckt.
Er soll vom ehemaligen Rektor der Polizeiakademie dazu angestiftet worden sein. Sercan hatte in einem Artikel aufgezeigt, dass der Rektor in seiner Doktorarbeit Ideen anderer übernommen hatte, ohne diese zu zitieren. Seine Arbeit war ein Plagiat.
Den falschen Doktoren den Kampf angesagt
Vor der Journalistin ist kein falscher Doktor sicher, seit sie vor vier Jahren selbst eine Doktorarbeit schrieb. Thema: Zensur in den rumänischen Medien. Das sei hart gewesen. «Am Ende fiel ich fast in eine Depression.»
Dann bekam Rumänien einen neuen Regierungschef, einen Professor. «Bloss – der konnte sich auf Rumänisch nicht richtig ausdrücken», sagt Sercan. Und so einer hatte eine Doktorarbeit hingekriegt? Nachdem sie, die sprachlich und denkerisch Sattelfeste, sich mit ihrer eigenen Doktorarbeit so schwer getan hatte? Sercan fand heraus, dass die Arbeit des Professors abgeschrieben war. Der Mann blieb nicht lange Regierungschef.
Ein Doktortitel bringt Geld ein
Sercan widmete sich daraufhin weiteren Doktorarbeiten: Innenminister, Gesundheitsminister, Bildungsminister und viele weitere – die halbe rumänische Elite hatte bei der Doktorarbeit geschummelt. Zum Teil war alles Wort für Wort irgendwo abgeschrieben worden.
In Rumänien kommt mit dem Doktortitel nicht nur Prestige, es kommen auch Privilegien. «Doktor» auf der Visitenkarte heisst automatisch umgerechnet 250 Franken mehr Lohn pro Monat für Staatsangestellte, höchste Lohnstufe für Lehrer, Anwaltsdiplom ohne Prüfung für Juristinnen.
Diese Regelung sei ursprünglich gut gemeint gewesen, sagt Rodica Zafiu. Sie ist Professorin für Rumänisch an der ehrwürdigen Bukarester Universität – und Expertin für Plagiate. Auch sie hat einen ehemaligen Premierminister überführt: Victor Ponta hatte bei seiner Doktorarbeit geschummelt.
Viele gekaufte Doktortitel
Im kommunistischen Rumänien habe kaum jemand studiert und doktoriert, sagt Zafiu. Durch die Privilegien für Doktoren habe das demokratische Rumänien später den Forschergeist fördern wollen. Blöderweise sei dabei vergessen gegangen, dass die Schule die Rumäninnen und Rumänen oft schlecht auf einen echten Doktortitel vorbereite, so die Professorin.
Deshalb bezahlten manche Studenten ihren Doktorvater dafür, dass dieser die Arbeit nicht so genau anschaue. Und manchmal sei Geld fürs Wegschauen gar nicht nötig: Viele Professoren betreuten heute so viele Doktorarbeiten, dass sie eh nicht alles lesen könnten.
So hat die Journalistin Sercan denn auch noch viel zu tun. Seit dem Ende des Kommunismus vor 30 Jahren seien in Rumänien 70’000 Doktorarbeiten geschrieben worden, sagt sie. Sie nehme an, dass davon 20’000 Plagiate seien. Das will Sercan nun überprüfen. Morddrohungen hin oder her.