Die Aktionsgruppe Rubikon: Fast täglich geraten Polizei und Aktivisten in der griechischen Hauptstadt Athen aneinander. Insbesondere die Anarchistengruppe Rubikon sorgt für Aufsehen. Gegen zwölf Mitglieder der so genannten «Rouvikonas» ist jetzt ein Verfahren eingeleitet worden. Juristisch geht es um Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Einbruch, manchmal auch um versuchte Körperverletzung.
Interventionen: Auf ihrer langen Liste von «Interventionen» haben die «Rouvikonas» seit 2015 kaum einen Bereich des öffentlichen Lebens ausgelassen. Die Gruppe stürmt immer wieder Finanzämter und Notariate, um sozialunverträgliche Reformen anzuprangern. In Spitälern werden angeblich bestechliche Ärzte vorgeführt. Vertretungen von ausländischen Konzernen wie Siemens und Novartis wird die Verwicklung in Korruptionsskandale vorgeworfen. Steine und Farbbeutel fliegen.
Aktionen kommen direkt ins Netz: Auf Interventionstour gehen meist Gruppen von zehn bis 15 jungen Männern, wie Journalistin Corinna Jessen in Athen darlegt: Da splittern Eingangstüren und Fenster. Da wird meistens das Inventar mit Eisenstangen zertrümmert. Ein Banner mit der aktuellen Parole wird ausgerollt, Farbbeutel und Flyer geworfen. Dabei filmen sich die Akteure selbst und stellen dann die Aktionen ins Internet. Sie sind damit fast täglich Thema vor allem in den konservativen Medien Griechenlands.
Strassenschlachten willkommen: Neben den spektakulären Aktionen liefern sich die Autnomen von Rubikon zudem regemässig Strassenschlachten mit der Polizei. Betroffen ist vor allem der kleine Athener Stadtteil Exarchia, der für die Polizei längst zur No-Go-Zone geworden ist. Die Behörden räumen diesbezüglich ihre Ohnmacht ein. Bei den Grossdemonstrationen, wie sie zwischen 2010 und 2015 gegen die Sparmassnahmen durchgeführt wurden, weiteten sich die gewalttätigen Zwischenfälle auch auf die Innenstadt aus. Dies ist selten geworden. Viele stellen sich deshalb die Frage, warum die Aktivitäten von ein paar hundert gewaltbereiten Jungen nicht unterbunden werden können, zumal die aktiven Mitglieder von Rubikon auf nur ungefähr 150 Personen geschätzt werden.
Breite Themenpalette: Zahlenmässig sind die Anarchisten also ein Randproblem, das aber die griechische Gesellschaft stark beschäftigt. Denn abgesehen von gezielter Zerstörung nehmen die «Rouvikonas» hochaktuelle Themen aller Art auf, wie Jessen schildert: Die Korruption im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft und die erdrückenden Sparmassnahmen. Ebenso die Aussenpolitik, wenn sie sich mit einer Aktion gegen die spanische Botschaft mit den Katalanen solidarisch zeigen oder mit einem Protest gegen die türkische Niederlassung wegen des Einmarschs in Syrien.
Anarchistische Linke: Rubikon will Unruhe stiften im System und aufrütteln. Vor allem, nachdem sich Alexis Tsipras mit seiner regierenden Linkspartei inzwischen schon fast zum Liebling der Kreditgeber Griechenlands gemacht hat. Nicht umsonst war die erste Aktion von Rubikon die Besetzung der Parteizentrale von Syriza. Die Gruppe versteht sich als letzte militante Bastion einer traditionsreichen, anarchistisch geprägten Linken. Dabei überschreitet sie bewusst Grenzen, wie ehemals Julius Cäsar mit seinem Heer den Grenzfluss Rubikon, als er sich mit dem Senat in Rom anlegte. Die Anarchisten beziehen sich aber auch auf die Kreditverträge, von denen es für Griechenland laut Rubikon kein Zurück mehr gibt und mit welchen die sozialverträgliche Grenze überschritten wurde. Und nicht zuletzt wollen sie demonstrieren, dass sie stets bereit sind, Grenzen zu übschreiten – trotz ungewissen Ausgangs.